Deutscher Gewerkschaftsbund

08.11.2017

Soziale Rechte in Europa stärken!

Social Rights first

ÖGB

Nach einigen Jahren des Stillstands und der Rückschritte hat die Entwicklung eines sozialeren Europas durch die Diskussion um die europäische Säule sozialer Rechte an Bedeutung gewonnen. Am 17.11.2017 soll diese beim europäischen Sozialgipfel in Göteborg verabschiedet werden.

Staats- und Regierungschefs direkt kontaktieren!

Der DGB hat gemeinsam mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB), dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) und weiteren Verbänden eine Online-Plattform gestartet, über die Bürgerinnen und Bürger die europäischen Staats- und Regierungschefs direkt kontaktieren und ein sozialeres Europa fordern können. Einfach ein Land auswählen und den jeweiligen Staats-, beziehungsweise Regierungschef mit unserer Botschaft über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter anschreiben.

Jetzt mitmachen für mehr soziale Rechte in Europa!

Die Beteiligungsmöglichkeiten und alle weiteren Infos findet ihr auf der Onlineplattform https://socialrightsfirst.eu/de/

 

Die Forderungen der Gewerkschaften: Social Rights First! 10 Grundpfeiler für eine europäische Säule sozialer Rechte!

  • 1. Schnelle Einigung um loszulegen

    Es darf keine weiteren Verzögerungen geben, wenn es darum geht, ein besseres Europa für die ArbeitnehmerInnen zu erreichen. Es ist Zeit, von schönen Worten zu konkreten Handlungen überzugehen. Die europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) muss von den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten unterstützt werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen sich der Blockadehaltung der Arbeitgeber entgegenstellen und die Säule und das vorgeschlagene Paket an Gesetzgebungsinitiativen unterstützen.

  • 2. Ein Aktionsplan zur Erbringung der Rechte

    Der ESSR muss ein Aktionsplan zur Umsetzung zur Seite gestellt werden, der konkrete Schritte und Verpflichtungen zur Durchsetzung aller 20 Prinzipien und Rechte enthält: in einem Fahrplan muss festgelegt werden, wie die Rechte verwirklicht werden sollen.

  • 3. Investitionen zur Realisierung der Rechte

    Zur Umsetzung der ESSR müssen Mittel aus den bestehenden EU-Fonds und dem neuen siebenjährigen EU-Budget bereitgestellt werden. Es braucht ausreichende finanzielle Mittel für öffentliche Dienstleistungen, um einen effektiven Zugang zu sozialem Wohnbau, Gesundheitsversorgung und essenzielle Dienstleistungen, wie in der europäischen Säule sozialer Rechte vorgesehen.

  • 4. EU-Gesetze zur Durchsetzung der Rechte

    Es ist von höchster Bedeutung, die sozialen Problemlagen zu bewältigen, mit denen ArbeitnehmerInnen und ihre Gewerkschaften konfrontiert sind. Dazu zählen steigende Ungleichheiten, hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne und prekäre Arbeit, die die Möglichkeit von ArbeitnehmerInnen untergräbt, von EU-Arbeitsrechten zu profitieren.      

    Was fordert der EGB?

    1. Anerkennung des Rechts auf effektive Durchsetzung, indem Maßnahmen vorangebracht werden, die es ArbeitnehmerInnen und ihren Gewerkschaften ermöglichen, Rechte durchzusetzen.
    2. Eine Richtlinie zum Schutz von Nicht-Standard-ArbeitnehmerInnen, um vor Prekarisierung, Null-Stunden- und ähnlichen Verträgen und unsicherer Arbeit zu schützen.
    3. Eine Richtlinie zu Online-Plattformen soll sicherstellen, dass Menschen, die Arbeitsleistungen digital erbringen, als ArbeitnehmerInnen gelten, von Arbeits- und Sozialrecht erfasst sind und genauso geschützt sind wie ArbeitnehmerInnen in anderen Sektoren, inklusive bezüglich Mindestlohn und Zugang zu sozialem Schutz.
    4. Eine Richtlinie zu einem Mindestsockel an Rechten für selbständige ArbeitnehmerInnen, einschließlich dem Vereinigungsrecht und dem Recht auf Kollektivverhandlungen gemäß nationalem Recht und Gepflogenheiten, dem Recht auf angemessene Entlohnung, dem Recht auf soziale Sicherheit, dem Recht auf Bildung und Ausbildung und dem Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.
    5. Die Würde und die Daten von ArbeitnehmerInnen müssen geschützt werden. Eine Richtlinie zur Privatsphäre am Arbeitsplatz soll ArbeitnehmerInnen vor überzogener digitaler Überwachung schützen, die Daten von ArbeitnehmerInnen in einem Beschäftigungsverhältnis schützen und die Nutzung von künstlicher Intelligenz und anderen Praktiken regulieren, die die Würde und die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz beeinträchtigen können.
    6. Revision der Entgeltgleichheitsrichtlinie, damit sie betriebliche Lohngleichheitspläne und Einkommensberichte sowie Sanktionen und abschreckende Mittel gegen Arbeitgeber, die sich nicht an die Regeln halten, enthält, um endlich Lohngleichheit für Frauen zu erreichen.
    7. Es sollte rasch eine Einigung und Umsetzung in Bezug auf die neue Richtlinie zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben geben, um die Rechte zu familienbezogenen (z.B. Eltern-)Urlaubs- bzw. Karenzregelungen zu verbessern, inklusive hinsichtlich Entgelt und flexiblen Arbeitsmöglichkeiten.
    8. Maßnahmen bezüglich des Kontakts mit Diesel, reproduktionsgefährdenden Stoffen und Nanotechnologien sind dringend notwendig, um die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu fördern.
    9. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort durch eine effektive Revision der Entsenderichtlinie und geeignete Maßnahmen, um Betrug und Missachtung von Rechten insbesondere durch Praktiken wie Briefkastenfirmen.
    10. Die EU muss den Schutz von Whistleblowern sicherstellen. ArbeitnehmerInnen, die Fehlverhalten aufdecken, erhalten oft wenig oder keinen Schutz und erfahren oft Vergeltungsmaßnahmen.
  • 5. Aktive Unterstützung von allen EU-Institutionen

    Wir wollen, dass sämtliche EU-Institutionen die ESSR respektieren, unterstützen und die ihre Verwirklichung sicherstellen, einschließlich z.B. des Europäischen Gerichtshofs und der Europäischen Zentralbank.

  • 6. Bessere Wirtschaftspolitik der EU

    Das jährliche wirtschaftspolitische „Semester“ der EU hat Arbeitsplätzen, ArbeitnehmerInnen und der Wirtschaft durch seine Angriffe auf öffentliche Ausgaben und Kollektivverhandlungen ernsthaften Schaden zugefügt. Jährliche wirtschaftspolitische Empfehlungen haben ArbeitnehmerInnenrechte und den wirtschaftliche Erholung untergraben.

    Die Juncker-Kommission hat versucht, diesen Prozess der wirtschaftspolitischen Entscheidungsfindung von reiner Sparpolitik wegzubringen und Themen im Zusammenhang mit Qualifikationen und den schlimmsten Ungleichheiten zumindest zu berücksichtigen.

    Die in der europäischen Säule sozialer Rechte enthaltenen Prinzipien müssen durch dieses jährliche wirtschaftspolitische „Semester“ (sowie durch andere Mittel wie EU-Recht und den EU-Haushalt) umgesetzt werden. Das bedeutet, dass das „Semester“ ein wirtschaftliches und soziales Semester werden soll, welches die Rechte und das Wohlbefinden von ArbeitnehmerInnen genauso ernst nimmt wie fiskalische Ungleichgewichte.

    Es würde keinen Sinn ergeben, eine europäische Säule sozialer Rechte zu haben, wenn sie nicht durch wirtschaftspolitische Empfehlungen in die Praxis umgesetzt würde. Die Gewerkschaften erwarten, dass die „länderspezifischen Empfehlungen“ 2018 damit beginnen.

    Die Europäische Kommission ruft dazu auf, dass Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände in den „Semester“-Prozess auf nationaler Ebene stärker eingebunden sind, und der EGB unterstützt Gewerkschaften dabei, in den Prozess stärker involviert zu sein. Das ist eine essenzielle Maßnahme, um das „Semester“ zu einem Zyklus der sozial- und wirtschaftspolitischen Politikgestaltung zu machen.

    Faire Entlohnung – dies muss ausgeweitet werden und Kollektivverhandlungen für faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen umfassen.

  • 7. Sozialer Fortschritt im EU-Vertrag

    Im EU-Recht kommen Marktfreiheiten Vorrang vor sozialen Rechten zu. Das ist ein Ergebnis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

    Dadurch wurde es schwieriger für Gewerkschaften in Europa, ArbeitnehmerInnen gegen unfairen Wettbewerb um Löhne und Arbeitsbedingungen zu verteidigen, für Gleichbehandlung von ausländischen und einheimischen ArbeitnehmerInnen zu kämpfen und Maßnahmen zu setzen, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnen in ganz Europa zu verbessern.

    Der EGB schlägt vor, den europäischen Verträgen ein soziales Fortschrittsprotokoll hinzuzufügen. Ein solches Protokoll würde das Verhältnis zwischen sozialen Rechten und Marktfreiheiten klarstellen. Ein Protokoll muss den europäischen Verträgen beigefügt werden, um auf der höchsten Ebene verbindlich zu sein und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zu beeinflussen.

    Das soziale Fortschrittsprotokoll soll:

    1. festhalten, dass der Binnenmarkt kein Selbstzweck ist, sondern sozialen Fortschritt für die Bevölkerung der Union erzielen soll;
    2. klarstellen, dass Marktfreiheiten und Wettbewerbsregeln sozialen Grundrechten und sozialem Fortschritt nicht übergeordnet werden dürfen, und dass im Zweifel soziale Rechte Vorrang haben;
    3. klarstellen, dass Marktfreiheiten nicht so ausgelegt werden können, dass sie das Recht geben würden, sie auszuüben, um sich nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Gesetzen und Gepflogenheiten zu entziehen oder diese zu umgehen, oder zum Zweck von unfairem Wettbewerb um Löhne und Arbeitsbedingungen.
  • 8. Gewerkschaften und sozialen Dialog unterstützen

    Sozialer Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist ein Kernbestandteil prosperierender und erfolgreicher Volkswirtschaften. Er ist auf nationaler und EU-Ebene essenziell.

    Auf der EU-Ebene hat er zu wichtigen Einigungen geführt, die im EU-Recht verankert sind, wie in Bezug auf Elternurlaub, Teilzeitarbeit und befristete Verträge.

    In den letzten Jahren entstanden Probleme hinsichtlich der Überführung von Einigungen bezüglich in den Branchen FriseurInnen und zentralen Regierungsverwaltungen in EU-Recht. Die Europäische Kommission sollte es unterstützen, dass Einigungen des sozialen Dialogs EU-Recht werden und dies nicht verhindern.

    Die EU sollte den sozialen Dialog in allen EU-Ländern fördern und unterstützen, und die Europäische Kommission sollte Kapazitätsaufbau unterstützen, um sicherzustellen, dass es effektive Arbeitgeber- und Gewerkschaftsorganisationen gibt, die in der Lage sind, Vereinbarungen zu verhandeln und umzusetzen.

    Rechtliche Rahmenbedingungen, die den sozialen Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften auf sektoraler und nationaler Ebene ermöglichen, sollten in allen EU-Ländern bestehen.

  • 9. Kollektivverhandlungen: Faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen

    Die EU muss Kollektivverhandlungen und die Rolle der Gewerkschaften fördern und unterstützen. Das bedeutet:

    • Die EU-Institutionen müssen Eingriffe, die Tarif- bzw. Kollektivvertrags- und Mindestlohnsysteme einschränken, unterlassen;
    • Die Anzahl der von Tarif- bzw. Kollektivverträgen erfassten ArbeitnehmerInnen, einschließlich atypischer Beschäftigung;
    • Finanzielle Unterstützung für Kapazitätsaufbau für Kollektivverhandlungen, insbesondere für sektorale und nationale Verhandlungen, und rechtliche Rahmenbedingungen für die Durchführung effektiver Kollektivverhandlungen
    • Kollektivverträge, insbesondere für sektorale und nationale Verhandlungen und Rechtsgrundlagen für starke Kollektivvertragsverhandlungen;
    • Sicherstellung, dass Regeln für öffentliche Auftragsvergaben das Recht auf Kollektivverhandlungen fördern und dass dabei Angebote von Unternehmen, die Tarif- bzw. Kollektivverträge einhalten, bevorzugt werden;
    • Maßnahmen zur Erhöhung von Mindestlöhnen und zur Stärkung von Mindestlohnsystemen, wo es sie gibt;
    • Angleichung der Löhne zwischen den Geschlechtern, Bekämpfung unfairer Mindestlöhne für junge ArbeitnehmerInnen und Bekämpfung weiterer unfairer Lohndiskriminierungen und von Sozialdumping durch die Sicherstellung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.
  • 10. Ein gerechter Übergang zu Digitalisierung und karbonarmer Wirtschaft

    Schaffung eines Fonds für einen gerechten Übergang für die Bewältigung des Klimawandels, den Übergang zu einer grünen, karbonarmen Wirtschaft und der Gestaltung der Digitalisierung und Automatisierung in einer nachhaltigen Weise. Ziel sind die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Sicherstellung von ArbeitnehmerInnenrechten, die Erhöhung von Qualifikationen und Ausbildung und sozialer Schutz. Kein/e Arbeitnehmer/in soll bei der Dekarbonisierung und der Digitalisierung zurückgelassen werden. Stattdessen muss es einen gerechten, gut organisierten Übergang geben.

Hinweis: Am 30.11.2017 führen wir in Dresden eine internationale Konferenz "Für ein sozialeres Europa! Gute Arbeit und Faire Mobilität in Europa und in den Grenzräumen" durch. Dort werden die aktuellen Auseinandersetzungen um ein sozialeres Europa aufgegriffen, Bedingungen der Arbeitnehmermobilität in Europa und im Grenzraum beleuchtet, der Beratungsbedarf mobiler Beschäftigter, die aktuelle Lage und Entwicklungsperspektiven im Grenzraum diskutiert. Wir bitten um Anmeldung bis zum 17.11.2017. 


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