Deutscher Gewerkschaftsbund

22.05.2015
Unbefristeter Streik in kommunalen Kitas

Die Mitgliedsgewerkschaften im DGB unterstützen die Streiks der Kolleginnen und Kollegen von ver.di und GEW in den Sozial- und Erziehungsberufen

Wir brauchen mehr Personal in wichtigen sozialen Bereichen, in Kitas, in der Jugendhilfe, in der Altenpflege, in Krankenhäusern, in anderen sozialen Diensten. Und dieses Personal muss endlich angemessen bezahlt werden.

Die Anforderungen haben sich gerade für Erzieherinnen und Erzieher in den letzten Jahren deutlich erhöht: Sprachförderung, Inklusion und naturwissenschaftlich-technische Frühförderung gehören ebenso zu ihrer Arbeit wie Bewegungserziehung, Integration und regelmäßige Elternarbeit.

20% der Erzieherinnen und Erzieher arbeiten seit Jahren am Limit – gesundheitlich und nervlich. Das ist weit mehr, als in anderen Berufsgruppen. „Jeder Tag ist eine Zerreißprobe“, sagen viele Erzieher.

Im krassen Gegensatz zu der verantwortungsvollen Arbeit steht die Bezahlung. Eine Erzieherin bekommt zum Einstieg – nach vier bis fünf Jahren Ausbildung – gerade knapp 2.370 Euro brutto im Monat. Nach vier Jahren sind es immer noch weniger als 2.800 Euro. Aber nur auf dem Papier, denn mehr als 60 Prozent der Stellen werden in Deutschland nur noch als Teilzeitstellen angeboten. In Sachsen sind es sogar über 80 Prozent mit durchschnittlich 30 Wochenstunden. Das entspricht ca. 1.150 Euro netto. Da reicht das Geld oft genug nicht zum Leben. Morgens Kita, abends babysitten, kellnern, putzen oder Regale einräumen, nur um über die Runden zu kommen.

Das ist leider typisch für einen klassischen Frauenberuf. In den Kitas sind 95 Prozent der Beschäftigten weiblich. Und die wollen endlich für ihre pädagogische Facharbeit auch bezahlt werden wie Facharbeiter. Es gibt keine Begründung dafür, dass Pflegekräfte oder Erzieherinnen teilweise nur halb so viel Geld bekommen, wie Facharbeiter in der Automobil- oder Chemieindustrie. Gute Arbeit, gute Leute, gutes Geld – das gehört zusammen, egal in welcher Branche.

Die Erzieherinnen und Erzieher fordern eine bessere Anerkennung ihrer Arbeit, die so wichtig ist für die Gesellschaft. Sie haben es lange mit Argumenten versucht, in Verhandlungen und Gesprächen. Sie wurden immer wieder mit guten Worten abgespeist. Deshalb kämpfen die Kolleginnen und Kollegen in den Sozial- und Erziehungsberufen jetzt für die überfällige Aufwertung ihrer Arbeit: durchschnittlich 10% mehr Gehalt und eine gerechtere Eingruppierung von Leistungskräften. Nur so können die sozialen Berufe wieder attraktiver werden, für den dringend benötigen Nachwuchs, nur so können wir sicherstellen, dass Kinder auch morgen noch gut betreut werden und gute Startchancen für ihr Leben mitbekommen.

Erzieher fehlen an allen Ecken und Kanten. Eltern merken das immer wieder, wenn sie ihre Kinder erst später in den Kindergarten bringen oder früher abholen müssen, weil Personal fehlt. Es herrscht eklatanter Mangel an Fachkräften. Es kann vorkommen, dass von den Stellen auf dem Papier nur die Hälfte besetzt ist. Es kann vorkommen, dass Erzieher krank zur Arbeit gehen, damit der Betrieb halbwegs aufrechterhalten werden kann. Einrichtungen, die eigentlich noch genug Personal haben, kommen in die Bredouille, sobald jemand krank wird. Denn in vielen Bundesländern gibt es längst keine Springer mehr, ist der Pool mit Aushilfen leergefegt.

Inklusion ist gesetzlich gewollt. Behinderte und nicht behinderte Kinder besuchen gemeinsam eine Tagesstätte, lernen und profitieren voneinander. Damit dieses Ziel gelingt, braucht es spezielles Personal: Heilpädagogen. Die haben aber kaum die nötige Zeit für ihre eigentliche Aufgabe. Weil überall Personal fehlt, werden sie im ganz normalen Gruppendienst eingesetzt. Fehlt der Koch, müssen sie sich oft genug um das Mittagessen kümmern. Weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen, übernehmen Kinderpfleger deren Aufgabe, obwohl sie eine kürzere Ausbildung haben und weniger verdienen.

„Jonglieren, organisieren und improvisieren“ – so beschreiben Leiter von Kindertagesstätten ihren Job. Die Verwaltungsaufgaben steigen ständig an. Entlastung gibt es aber nicht. Häufig haben Leiterinnen von Kindertagesstätten nicht einmal mehr einen Stellvertreter, weil die Verantwortung nicht entsprechend honoriert wird.

Erzieherinnen und Erzieher ermöglichen den Eltern, arbeiten zu gehen und damit dem Staat, Steuereinnahmen zu erzielen, bekommen dafür aber nicht genug Wertschätzung. Ihre Arbeit wird nicht der Bedeutung gemäß bezahlt.

Die Probleme sind den Arbeitgebern seit langem bekannt. Getan hat sich nichts. Die Arbeitgeber haben leider in fünf Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt. Stattdessen haben sie nur vage „Vorschläge“ gemacht. Vorschläge, die immer mit einem „vielleicht“ begannen und mit den Worten „nicht für alle - nur für einige“ endeten. Jetzt reicht es.

Wenn das eigene Kind nicht in die Kita kann, macht das Mühe und Stress. Aber schuld sind daran nicht die Erzieherinnen. Wenn wir auch in Zukunft eine gute Erziehung für unsere Kinder haben wollen, wenn wir sicher sein wollen, dass unsere Kinder eine gute Grundlage für ihr Leben mitbekommen, dann müssen wir die Erzieherinnen und Erzieher jetzt unterstützen.

Es geht nicht um einen „Machtkampf“. Es geht um vernünftige Rahmenbedingungen, um gute Arbeit und anständige Bezahlung für die Erzieher. Sie sollen wieder in die Lage versetzt werden, sich ganz und gar unseren Kindern zu widmen. Es geht darum, ob wir ihre Arbeit auch wertschätzen.

Deswegen müssen wir als Eltern, Großeltern, Freunde und Verwandte Druck machen auf die kommunalen Arbeitgeber: auf Oberbürgermeister, Bürgermeister und Landräte, auf Ratsfraktionen und die Fraktionsvorsitzenden. Die sollen unseren Ärger abkriegen. Und endlich dafür sorgen, dass die Betreuung unserer Kinder wertgeschätzt und entsprechend bezahlt wird.

Es geht um eine gemeinsame Sache: Es geht um eine angemessene Bezahlung der Fachkräfte, um hochqualifizierte Arbeit im Sinne der Kinder und Eltern sicherstellen zu können.

Unterstützen und informieren: Infos zum Hintergrund der Tarifverhandlungen

Was ist Dichtung? Was ist Wahrheit?

Arbeitgeber behaupten, dass die bereits im Jahr 2009 erfolgte Aufwertung des Sozial- und Erziehungsdienstes den meisten Eltern nicht bekannt sei und auch von den Gewerkschaften ignoriert werde.

Fakt ist: 2009 hat keine Aufwertung der Tätigkeiten im Sozial- und Erziehungsdienst stattgefunden! Hier ist die 2005 aufgrund des Inkrafttretens des TVöD gegenüber dem alten Tarifrecht BAT eingetretene Absenkung des Bezahlungsniveaus teilweise ausgeglichen worden.

Arbeitgeber behaupten, dass die Gehaltssteigerung im Sozial- und Erziehungsdienst, bezogen auf die letzten 5 Jahre, um 33 Pro­zent höher gewesen sei als bei den anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Fakt ist: Dies ist eine glatte Lüge! Wahr ist, dass die Gehälter im Sozial- und Erziehungsdienst in diesem Zeitraum – am Beispiel einer Erzieherin mit achtjähriger Berufserfahrung – um 13,7 Prozent gestiegen sind.

Arbeitgeber behaupten, dass die Vergütungen der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst deutlich oberhalb derer in ande­ren vergleichbaren Ausbildungsberufen wie z. B. Handwerker, Brandmeister bei der Feuerwehr oder staatlich geprüfter Techniker lägen.

Fakt ist: Der Vergleich der Einkommen von Erzieherinnen mit denen von Beschäftigten, die eine dreijährige Ausbildung im dualen Sys­tem abgeschlossen haben, ist unangemessen. Die Erzieherinnen haben eine insgesamt fünfjährige Ausbildung zu absolvieren. Darüber hinaus bleibt bei einer reinen Betrachtung der Ausbildungsdauer die besondere Bedeutung frühkindlicher Bildung unberücksichtigt.

Arbeitgeber behaupten, dass Erzieherinnen und Erzieher bei freien Trägern deutlich weniger verdienten als jene im öffentlichen Dienst, ohne dass sich die Gewerkschaften für sie einsetzten.

Fakt ist: Das Gegenteil ist richtig! Schlimm genug, dass die Beschäftigten bei den freien Trägern oft viel weniger verdienen als die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Genau deshalb setzen wir uns als Gewerkschaften auch für deren Belange ein. Uns geht es um die Aufwertung der sozialen Berufe, unabhängig von der Trägerschaft der Arbeitsstellen.

Arbeitgeber behaupten, dass unsere Forderungen teilweise zu Einkommenserhöhungen um 20 Prozent führen würden. Und sie suggerieren gleich noch, dass dann auch die Elternbeiträge um ca. 20 Prozent stiegen.

Fakt ist: Dies ist falsch! Richtig ist, dass wir eine Anhebung der Einkommen und damit der Wertigkeit der Erzieherinnentätigkeit um durchschnittlich 10 Prozent fordern. Und angesichts des 2014 höchsten Steueraufkommens in der Geschichte der Bundesrepublik und der für 2015 prognostizierten Steuermehreinnahmen besteht kein Grund für eine derartige Erhöhung der Elternbeiträge. Doch es ist typisch: Beschäftigte sollen die Schuld für diese Last tragen – unglaublich!

 

Wir rufen die kommunalen Arbeitgeber auf:

Anstatt mit falschen Behauptungen gegenüber Eltern, Beschäftigten und der Öffentlichkeit aufzuwarten, ist es an der Zeit, dass die kommunalen Arbeitgeber endlich eine längst fällige Aufwertung der Sozial- und Erziehungsberufe vornehmen und damit die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen wertschätzen. Denn ihre Arbeit ist mehr wert!


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