Am 8. Juni 2022 hat das Institut für Arbeitsmarkt und Sozialforschung (IAB) eine aktuelle Studie zu den geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden in Sachsen veröffentlicht. Die Studie wurde vom sächsischen Gleichstellungsministerium in Auftrag gegeben. Wie die Auswertung zeigt, ist der Gender Pay Gap in den letzten Jahren etwas zurückgegangen. Nach wie vor bestehen aber noch beträchtliche Unterschiede in der Entlohnung von Frauen und Männern in Sachsen. Dabei gibt es in Sachsen Besonderheiten, die wir in dieser Info kurz darstellen wollen.
Mit dem Gender Pay Gap wird die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern bezeichnet. Beim unbereinigten Gender Pay Gap werden die durchschnittlichen Tagesentgelte von vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern verglichen und die Lücke bestimmt. Beim bereinigten Gender Pay Gap werden zudem die Merkmale der vollzeitbeschäftigten Frauen und Männer berücksichtigt. Relevant sind dabei insbesondere die Qualifikation und der Beruf.
Der unbereinigte Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern liegt in Sachsen bei 7,6 Prozent und ist damit deutlich niedriger als in Deutschland insgesamt mit 19,3 Prozent. Das ist aber kein Grund zum Jubeln. Die wichtigste Ursache, warum die Lohnlücke niedriger liegt ist, dass die Löhne von Männern in Sachsen um mehr als 800 Euro unter denen in ganz Deutschland liegen. Damit ist die Lohnlücke in Sachsen zwar rechnerisch kleiner, die Löhne von Frauen dadurch aber nicht höher, sondern immer noch viel zu niedrig. Der Vergleich der Medianlöhne zeigt, dass diese in Sachsen bei Frauen ca. 450 Euro unter denen in ganz Deutschland liegen.
In Sachsen liegt der bereinigte Gender Pay Gap über dem unbereinigten. Das ist außergewöhnlich und bundesweit genau andersherum. In Sachsen haben wir es also nicht nur mit einer strukturellen Diskriminierung, sondern zudem mit einer starken direkten Diskriminierung zu tun. Bei gleicher Qualifikation, gleichem Beruf, gleichen betrieblichen Merkmalen, gleicher Arbeitszeit etc. liegt der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern in Sachsen bei 11,7 Prozent.
Weiter kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Frauen gemäß ihrer individuellen Qualifikation und ihres Berufs in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als Männer. Das ist aber nicht der Fall, wie auch die durchschnittlichen Tagesentgelte der Beschäftigten zeigen.
Durchschnittliches Tagesentgelt der vollzeitbeschäftigten Frauen in den sächsischen Kreisen
2|2022 IAB Sachsen
Durchschnittliches Tagesentgelt der vollzeitbeschäftigten Männer in den sächsischen Kreisen
IAB Sachsen 2|2022
Die durchschnittlichen Tagesentgelte von Frauen liegen in allen Städten und Landkreisen unter denen von Männern. Wobei die Höhe der Tagesentgelte sowohl von Frauen als auch von Männern zwischen den einzelnen Städten und Landkreisen deutlich unterschiedlich ist. Die niedrigsten Tagesentgelte sind im Erzgebirgskreis, die höchsten in der Stadt Dresden. In allen Städten und Landkreisen in Sachsen liegen die Tagesentgelte unter denen in ganz Deutschland (105,65 € Frauen, 128,15 € Männer).
Diese regionalen Lohnunterschiede sind auch aus der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit bekannt. Vergleiche dazu auch unser aktuell 1/2022 „Niedrige Monatsentgelte sind kein gutes Markenzeichen!“
Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern unterscheidet sich erwartungsgemäß deutlich zwischen den Regionen. Auffällig ist die geringe Lücke von 0,9% im Landkreis Görlitz beim unbereinigten Gender Pay Gap. Der bereinigte Gap, in dem unter anderem die Qualifikation und der Beruf hinzugezogen werden, liegt mit 9,1% hingegen deutlich höher. In allen Landkreisen und Städten bestätigt sich, dass Frauen bei gleicher Qualifikation und gleichem Beruf weniger verdienen als Männer.
Unbereinigter Gender Pay Gap nach Kreisen
IAB Sachsen 2|2022
Bereinigter Gender Pay Gap nach Kreisen
IAB Sachsen 2|2022
Die geringe Lücke beim unbereinigten Gender Pay Gap kann darauf zurückgeführt werden, dass Frauen häufiger in Berufen und Branchen arbeiten, die besser bezahlt sind. Dies dürfte insbesondere für Tätigkeiten in der Verwaltung und im Öffentlichen Dienst zutreffen.
Einfluss auf die Größe der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern haben auch das Alter der Beschäftigten, die Betriebsgröße und die Position im Betrieb.
Leider liegen lediglich die Daten zum unbereinigten Gender Pay Gap nach Branchen vor. Diese sind weniger aussagekräftig, als wenn die Qualifikation und der Beruf mitberücksichtigt würden. Deutlich wird dies beispielsweise bei der Berufsgruppe „Tiefbau“, die den niedrigsten Gap aufweist und in der Frauen deutlich mehr verdienen, als Männer. In den Berufsgruppen, in denen der Frauenanteil hoch ist, sieht die Lage anders aus. In der Regel verdienen Frauen in diesen Bereichen weniger als Männer. Eine Ausnahme ist der Bereich Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege.
Die zehn Berufsgruppen mit dem höchsten unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen
IAB Sachsen 2|2022
Die zehn Berufsgruppen mit dem niedrigsten unbereinigten Gender Pay Gap in Sachsen
IAB Sachsen 2|2022
Wie die Daten zeigen, handelt es sich häufig um eine direkte Diskriminierung von Frauen, die trotz gleicher oder sogar besserer Voraussetzungen bezüglich Qualifikation und Beruf, schlechter bezahlt werden als Männer. An diesem Punkt kann mit einer höheren Tarifbindung und mehr Mitbestimmung angesetzt werden. In Tarifverträgen gibt es keine Unterschiede in der Bezahlung nach Geschlecht und Betriebs- und Personalräte achten auf die Eingruppierung nach Qualifikation und sind damit auch Garanten der Geschlechtergerechtigkeit. Die Stärkung der Tarifbindung und Mitbestimmung bedeutet also auch die Stärkung von Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt. Ein wichtiger Hebel ist hier die Einführung einer Tariftreueklausel im Vergabegesetz und eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen.
Weiter sind Anstrengungen zur Aufwertung sozialer Berufe, zum Ausbau sozialer Dienstleistungen, für bessere Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen, zur Förderung weiblicher Führungskräfte, zur Stärkung der Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zum Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten notwendig. Außerdem muss der Rückfall in überholte Geschlechterrollen verhindert, Geschlechterstereotype überwunden und Sorgearbeit gleichberechtigt aufgeteilt werden. Die Corona-Pandemie hat hier eher zu Verschlechterungen für Frauen geführt.
Hintergrund und Datenquellen
Die Daten und Grafiken wurden dem IAB-Regional • IAB Sachsen 2|2022 Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie (iab.de) entnommen.
Zu unserer Pressemitteilung Lohnlücke in Sachsen schließen und Rückfall in überholte Geschlechterrollen verhindern!