Wenn die Ungleichheit beim Entgelt von Frauen und Männern zum Equal Pay Day und zum Frauentag mal wieder in den Fokus rückt, startet immer wieder die Diskussion darüber, ob es im Osten noch eine Lohnlücke zwischen Frauen und Männern gibt. Da wird der Osten dann schnell zum Vorbild für Lohngleichheit erklärt und ab und an rauscht die Schlagzeile durch die Medien, dass Frauen im Osten mehr verdienen würden als Männer. Stimmt das so? Gibt es einen Grund zum Jubeln? Wir sagen nein. Häufig werden wichtige Details außer Acht gelassen und gerne auch mal Äpfel mit Birnen verglichen.
Durchschnittliche Tagesentgelte
Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit hat am 6. März 2023 Daten zum Regionalen Gender Pay Gap1 veröffentlicht. Darunter die durchschnittlichen Tagesentgelte von Männern und Frauen. Der Abstand von Frauen zu Männern beträgt in Sachsen 7,67 Euro. In ganz Deutschland beträgt der Abstand von Frauen zu Männern 22,63 Euro und in Westdeutschland 25,46 Euro täglich. Der Abstand ist in Sachsen also deutlich geringer.
Geringer Abstand in Sachsen – kein Grund zum Jubeln
Aber ist das ein Grund zum Jubeln? Nein. Das heißt nämlich ganz und gar nicht, dass Frauen in Sachsen besonders hohe Entgelte haben. Ganz im Gegenteil. Das durchschnittliche Tagesentgelt von Frauen in Sachsen liegt um 15,97 Euro unter dem von Frauen in Westdeutschland!
Durchschnittliche Tagesentgelte 2021 (in Prozent)
Quelle: IAB, Regionaler Gender Pay Gap, eigene Darstellung DGB Sachsen
Die durchschnittlichen Tagesentgelte von Frauen liegen in Sachsen zwischen 83,04 Euro im Erzgebirgskreis und 108,12 Euro in der Stadt Dresden. Sie liegen in allen Städten und Landkreisen unter dem durchschnittlichen Tagesentgelt von Frauen im Westen (111,60 Euro). Dieses Bild kennen wir auch von den Medianlöhnen. Der Medianlohn von Frauen in Sachsen liegt monatlich um 492 Euro unter dem von Frauen in Westdeutschland.
Lohnabstand von Männern in Ost zu West ist enorm
Warum ist die Lücke also in Sachsen deutlich kleiner als die in Westdeutschland? Die Löhne von Männern hinken denen in Westdeutschland noch deutlicher hinterher. Das durchschnittliche Tagesentgelt von Männern in Sachsen liegt um 33,76 Euro unter dem von Männern in Westdeutschland! Die Lücke ist also mehr als doppelt so groß, als bei den Frauen.
Die durchschnittlichen Tagesentgelte von Männern liegen in Sachsen zwischen 90,40 Euro im Erzgebirgskreis und 119,78 Euro in der Stadt Dresden. Damit liegen sie in allen Städten und Landkreisen unter dem durchschnittlichen Tagesentgelt von Männern im Westen (137,06 Euro).
Den enormen Abstand zwischen Ost und West bestätigen auch die Daten zu den Medianlöhnen. Dieser liegt bei Männern in Sachsen um 920 Euro monatlich unter dem von Männern in Westdeutschland.
Fazit: Sachsen taugt nicht als Vorbild
Vorbild Sachsen? Ganz und gar nicht. Eine geringe Lohnlücke zwischen Frauen und Männern aufgrund niedriger Löhne von Männern, taugt nicht als Vorbild. Die Löhne liegen insgesamt deutlich gegenüber dem Westen zurück und müssen für Frauen und Männer kräftig steigen. Lohnmauer einreißen, ist hier weiterhin unsere Devise!
Lohnlücke bei gleichen Merkmalen
Der Vergleich der durchschnittlichen Tagesentgelte ist gut, reicht aber nicht aus, um die direkte Diskriminierung von Frauen zu analysieren. Wir wollen wissen, wie die Bezahlung von Frauen und Männern mit gleicher Qualifikation, gleichem Beruf etc. aussieht.
Um die Lohnlücke bei gleichen individuellen Merkmalen zu analysieren, hilft der sogenannten bereinigte Gender Pay Gap. Dazu liegen ebenfalls aktuelle Daten des Instituts für Arbeitsmarkt und Sozialforschung (IAB) vor.
Gender Pay Gap – was ist das?
Mit dem Gender Pay Gap wird die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern bezeichnet. Beim unbereinigten Gender Pay Gap werden die durchschnittlichen Tagesentgelte von vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern verglichen und die Lücke bestimmt. Beim bereinigten Gender Pay Gap werden zudem bestimmte Merkmale der vollzeitbeschäftigten Frauen und Männer berücksichtigt. Relevant sind dabei insbesondere die Qualifikation und der Beruf.
Der bereinigte Gender Pay Gap in Sachsen
Gemäß den Ergebnissen der Analyse, liegt der bereinigte Gender Pay Gap in Sachsen mit 11,4 Prozent über dem unbereinigten mit 7,7 Prozent. Das ist außergewöhnlich und bundesweit genau andersherum. In Sachsen haben wir es also nicht nur mit einer strukturellen Diskriminierung, sondern zudem mit einer starken direkten Diskriminierung zu tun.
Klartext: Bei gleicher Qualifikation, gleichem Beruf, gleichen betrieblichen Merkmalen, gleicher Arbeitszeit etc. liegt der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern in Sachsen bei 11,4 Prozent.
Das IAB war bereits 2022 in einer Studie2 im Auftrag des SMJusDEG zum Gender Pay Gap zu dem Ergebnis gekommen, dass Frauen gemäß ihrer individuellen Qualifikation und ihres Berufs in Sachsen eigentlich mehr verdienen müssten als Männer. Das Gegenteil ist aber der Fall.
In allen Landkreisen und Städten in Sachsen verdienen Frauen bei gleicher Qualifikation und gleichem Beruf weniger als Männer. Der größte bereinigte Gender Pay Gap ist im Vogtlandkreis mit 14,0 Prozent, der geringste im Landkreis Görlitz mit 8,2 Prozent.
Bereinigter Gender Pay Gap nach Kreisen 2021
Quelle: IAB, Regionaler Gender Pay Gap, eigene Darstellung DGB Sachsen
Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit
Die Daten zum Gender Pay Gap zeigen deutlich, dass von gleicher Bezahlung in vielen Bereichen in Sachsen noch nicht die Rede sein kann. Dabei handelt es sich häufig um eine direkte Diskriminierung von Frauen, die trotz gleicher oder sogar besserer Voraussetzungen bezüglich Qualifikation und Beruf, schlechter bezahlt werden als Männer. Es sind weitere Anstrengungen nötig, um die Benachteiligung von Frauen bei der Bezahlung zu beseitigen und sowohl für Frauen als auch für Männer die Angleichung der Löhne Ost an West weiter zu forcieren.
Tarifbindung und Mitbestimmung stärken
In Tarifverträgen gibt es keine Unterschiede in der Bezahlung nach Geschlecht und die Betriebs- und Personalräte achten auf die Eingruppierung nach Qualifikation und sind damit auch Garanten der Geschlechtergerechtigkeit. Die Stärkung der Tarifbindung und Mitbestimmung bedeutet also auch die Stärkung von Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt. Ein wichtiger Hebel ist hier die Einführung einer Tariftreueklausel im Sächsischen Vergabegesetz und eine Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen.
Entgelttransparenzgesetz reformieren
Dass Entgeltgleichheit keine Verhandlungssache, sondern das Recht von Frauen ist, hat das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschieden. Jetzt muss Entgeltgleichheit aber flächendeckend in den Betrieben ankommen. Ein wichtiges Instrument könnte das Entgelttransparenzgesetz sein, sofern es reformiert wird. Dass nach dem Gesetz Auskunftsrechte zum Gehalt nur in Unternehmen ab 200 Beschäftigten festgeschrieben sind, ist gerade in Sachsen mit den vielen kleineren Unternehmen absurd. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, regelmäßig überprüfen zu müssen, ob in der Praxis Gruppen beim Entgelt benachteiligt sind.
Frauen stärker fördern
Weiter sind Anstrengungen zur Aufwertung sozialer Berufe, zum Ausbau sozialer Dienstleistungen, für bessere Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen, zur Förderung weiblicher Führungskräfte, zur Stärkung der Weiterbildungsmöglichkeiten sowie zum Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten notwendig.
Sorgearbeit gerecht aufteilen
Außerdem muss der Rückfall in überholte Geschlechterrollen verhindert, Geschlechterstereotype überwunden und Sorgearbeit gleichberechtigt aufgeteilt werden. Die Corona-Pandemie hat hier zu Verschlechterungen geführt.
Weitere Informationen:
1 IAB: Regionale Unterschiede im Gender Pay Gap in Deutschland 2021, https://doku.iab.de/arbeitsmarktdaten/Gender_Pay_Gap_2021_regional.pdf
2 IAB-Regional • IAB Sachsen 2|2022 Geschlechtsspezifische Lohnunterschiede in Sachsen in Zeiten der Corona-Pandemie (iab.de)