Als DGB stehen wir mit unseren Mitgliedsgewerkschaften an der Seite der Ukraine und fordern einen sofortigen Stopp des Krieges.
Wir stehen auch an der Seite der vielen Kinder, Frauen und Männer, die derzeit nach Deutschland kommen. Insbesondere für ihre gute Integration müssen jetzt die Weichen gestellt werden. Dabei geht es nach den ersten wichtigen Anstrengungen um Erstversorgung, Unterbringung und Sozialleistungen auch um Fragen der Kinderbetreuung, der Sprachkurse und der Integration in gute, qualifikationsangemessene Beschäftigung. Darauf konzentrieren wir uns als DGB ganz besonders.
Runder Tisch
Die Solidarität in der Gesellschaft ist derzeit riesig. Gleichzeitig ist schon jetzt absehbar, dass bestimmte Hilfesysteme an ihre Grenzen kommen werden, oder es bereits sind.
Deshalb fordern wir:
- Um den gesellschaftlichen Frieden zu wahren und aus der Vergangenheit zu lernen, schlagen wir einen runden Tisch zur Bewältigung der großen Herausforderung vor.
- Da die ukrainischen Kriegsvertriebenen sich frei bewegen dürfen und manche Kommunen mehr Menschen aufnehmen als andere, müssen diejenigen Kommunen unterstützt werden, die besonders viele Kriegsvertriebene aufnehmen und versorgen.
Kinderbetreuung und Schule
Es wird derzeit mit mindestens 400.000 Kindern bundesweit gerechnet, die zusätzlich in unser Bildungssystem kommen werden. Um die Chancen dieser Kinder auf Bildung und Teilhabe zu wahren, aber auch um den Eltern die Möglichkeit zu geben, deutsch zu lernen und eine Arbeit aufzunehmen, muss dieser Aspekt mit aller Kraft – auch mit Unterstützung der Geflüchteten selbst - angegangen werden.
Allein für Sachsens Kindertagesstätten und Schulen werden zusätzliche 20.000 Kinder erwartet. Das setzt das gesamte System unter Druck, da schon jetzt Fachkräfte fehlen und in den größeren Städten auch die Betreuungs- und Schulplätze knapp sind. Derzeit werden viele ukrainische Schulkinder online oder über privaten Initiativen nach ukrainischem Lehrplan unterrichtet, was den betroffenen Kindern zunächst sehr hilft, aber kein Dauerzustand sein kann.
Deshalb fordern wir:
- Mit dem neuen Schuljahr sollten die ankommenden Kinder nach deutschen Lehrplänen unterrichtet werden und das reguläre DAZ-System wieder durchgängig zur Anwendung kommen. Gleichzeitig sollte es abschlussnahen Schüler*innen ermöglicht werden, ukrainische Abschlüsse zu erlangen.
- Die Zeit bis zum Schulstart sollte genutzt werden, ukrainische Lehrkräfte/ Erzieher*innen und auch andere ausländische Lehrer*innen an die Schulen und KiTas zu holen. Hier sollte kein Unterschied nach der Herkunft der Geflüchteten gemacht werden.
- Die Lehrkräfte und Erzieher*innen sollten die Möglichkeit erhalten über den herkunftssprachlichen Unterricht hinaus als Assistenzen zur arbeiten und berufsbegleitend Sprachkurse und Anpassungsqualifizierungen zu absolvieren, auch um diesen Arbeitskräften eine persönliche und berufliche Perspektive zu bieten.
- Eine Konkurrenzsituation zwischen KiTas und Schulen muss unbedingt vermieden werden.
- In dieser Ausnahmesituation ist es unerlässlich die „Zwei-Fächer-Doktrin“ ebenso fallen zu lassen, wie das Erfordernis zunächst ein C1-Sprachniveau vorweisen zu müssen.
- Das SMWK muss sofort und mit Hochdruck dafür sorgen, dass die sächsischen Hochschulen möglichst zeitnah Angebote zur Weiterqualifizierung der ausländischen Lehrkräfte entwickeln und anbieten, wie es sie zum Beispiel bereits in Brandenburg gibt.
- Das SMK muss dafür Sorge tragen, dass ukrainische und andere ausländische Lehrkräfte schnell identifiziert und angesprochen werden und zeitnah – möglichst in den Sommerferien - die Möglichkeit erhalten Sprachkurse zu besuchen. Auch die Fähigkeiten der ansässigen sächsischen Lehrkräfte sollten dafür genutzt werden. Es müssen zudem Partnerschaftsprogramme initiiert und unterstützt werden, damit die ausländischen Lehrkräfte Unterstützung von deutschen Lehrkräften erhalten.
- Ein Absenken der Qualitätsstandards für die betreuten Kinder und Beschäftigten in Form eines sich verschlechternden Betreuungsschlüssels oder eines größeren Klassenteilers lehnen wir kategorisch ab. Dies würde zu höheren Krankenständen und schlechterer Betreuung und Bildung führen.
Sprachkurse
Eine Grundvoraussetzung für die Integration in unser Gemeinwesen, wie in Arbeit ist das zeitnahe Erlernen der deutschen Sprache.
Wir fordern:
- Dass der Bund die BAMF-Integrationskurse auskömmlich ausstattet.
- Da die Ukrainer*innen mit ihrem Aufenthaltstitel nach §24(1) Aufenthaltsgesetz nur nachrangig berücksichtigt werden und es absehbar zu Ablehnungen kommen wird, müssen auch die Landessprachkurse über „integrative Maßnahmen“ schnell hochgefahren werden um ausreichend Ressourcen und Plätze vorzuhalten, die in den kommenden Monaten benötigt werden.
- Für den Fall eines hoffentlich zeitnahen Kriegsendes, müssen kulante Lösungen gefunden werden, damit schnelles und risikobereites Handeln durch die Integrationskursträger jetzt, später nicht bestraft wird.
Anerkennung ausländischer Abschlüsse
Für eine qualifikationsadäquate Beschäftigung und Bezahlung ist die zügige Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse unabdingbar. Gleichzeitig können es sich weder die Kriegsvertriebenen noch die Unternehmen leisten zunächst langjährige Anpassungsqualifizierungen abzuwarten,
Wir befürworten deshalb:
- Bei den Anerkennungen, den Weg zu gehen, bestehende Qualifikationen anzuerkennen und weniger defizitorientiert vorzugehen. Dies ermöglicht sie schnell in die Berufe zu holen und über Anpassungsqualifizierungen eine Vollanerkennung der Abschlüsse zu erreichen.
Dabei fordern wir:
- Dass die Arbeitgeber in der Pflicht genommen werden, Anpassungsqualifizierungen zu ermöglichen und zu fördern und ihre Beschäftigten qualifikationsangemessen zu beschäftigen und zu entlohnen.
- Dass der Freistaat Sachsen die zukünftig notwendige Kofinanzierung der Projekte im BMAS-Programm „Integration durch Qualifizierung“ leistet, damit die Anerkennungsberatung zu ausländischen Berufsabschlüssen flächendeckend sichergestellt werden kann.
Beratung ausländischer Beschäftigter
Viele Kriegsvertriebene wollen möglichst zügig arbeiten, kennen aber häufig weder Regeln noch ihre Rechte. Um Ausbeutung und Schattenwirtschaft zu vermeiden, ist eine qualifizierte Beratung unabdingbar. Die Beratung von Nicht-EU-Ausländer*innen geschieht derzeit über das vom BMAS geförderte Projekt „Faire Integration“.
Wir fordern:
- Dass der Freistaat sich beim Bund für eine sehr zeitnahe Aufstockung des Projektes „Faire Integration“ einsetzt. Die bisherigen 2 ½ Stellen in Sachsen müssen mindestens verdoppelt und um ukrainisch-sprachige Angebote ergänzt werden. Der Freistaat soll sich ebenfalls dafür einsetzen, dass das Projekt „Faire Integration“ auch in der kommenden Förderperiode weiter ohne Eigenmittel arbeiten kann und verstetigt wird. Sollte das nicht gelingen, muss das Land Sachsen in die Finanzierungsverantwortung gehen.
- Das Programm Arbeitsmarktmentoren Sachsen kann auf eine gut ausgebaute Infrastruktur in allen sächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten bauen, hat aber mit stabilen Flüchtlingszahlen geplant. Eine Erhöhung der Förderung um 25% ist dringend nötig! Die erhöhte Förderung des Programmes muss auch für die kommenden Jahre sichergestellt sein.
- Die KAUSA-Servicestellen leisten eine tolle Arbeit um für duale Ausbildung zu sensibilisieren und zu werben. Die Förderung durch den Bund läuft Ende April aus. Das SMWA muss dringend eine nahtlose Weiterarbeit der KAUSA-Servicestellen ohne Einsatz von Eigenmitteln der Träger ermöglichen.
Gute Betreuung auch durch staatliche Stellen
- Wir begrüßen, dass beispielsweise die Bundesagentur für Arbeit mittlerweile auch ukrainischsprachige Angebote auf ihrer Website anbietet. Dieses Engagement muss sich nun in einer zügigen und schnellen Beratung der arbeitswilligen Kriegsvertriebenen fortsetzen.
- Bereits bei der Registrierung der Geflüchteten, aber auch bei anderen geeigneten Gelegenheiten, sollte Informationsmaterial zu den Rechten von Arbeitnehmer*innen zur Verfügung gestellt werden und im besten Fall auch Beratung angeboten werden.
- Um eine gute Integration in Arbeit zu ermöglichen, fordern wir, dass die Frist zur Umschreibung ukrainischer Fahrerlaubnisse (derzeit sechs Monate) verlängert wird.
Viele weitere Themen
Als DGB sind wir uns bewusst, dass es noch viele weitere wichtige Themen gibt, um die Integration der Kriegsvertriebenen zu ermöglichen. Sie sind im Folgenden aus unserer Sicht nur kurz angesprochen und bedürfen weiterer Anstrengungen.
Wir fordern:
- Immer wieder dafür zu sorgen, dass es keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse gibt.
- Ausreichend soziale Angebote in den Flüchtlingseinrichtungen. Die Flüchtlingssozialarbeit wird über die sächsische Kommunalpauschalförderung finanziert und muss massiv ausgeweitet werden.
- Um ein gutes Ankommen und eine erste Orientierung zu gewährleisten, müssen seitens des SMS die sächsischen Erstorientierungskurse, insbesondere im Teil Alltagsorientierung, (wieder) gestärkt werden.
- Der Bund muss die Migrationsberatungsstellen (MBEs) und die Jugendmigrationsdienste (JMDs) deutlich besser und auskömmlich ausstatten, um ihnen mehr (Verweis-)Beratung zu ermöglichen.
- Es kommen viele besonders schutzbedürftige Gruppen, wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Menschen mit Beeinträchtigungen und traumatisierte Menschen ins Land. Sie benötigen eine ausreichende (Schutz-)Infrastruktur. Insbesondere müssen die bestehenden Frauenschutzstrukturen deutlich gestärkt werden.
- Auch viele Studierende kommen ins Land. Ihnen muss es ermöglicht werden, schnellstmöglich ihr Studium fortsetzen zu können.
- Für die Zeit des Zusammenlebens ist es erforderlich, dass die Ankommenden auch ein lebenswertes Umfeld in Sachsen vorfinden. Dazu gehören einerseits Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Partizipation, aber auch zur Rekreation. Dafür sollten Programme wie „Weltoffenes Sachsen“ des SMS und „Beteiligen! für Demokratie“ des SMJusDEG sowie das Programm „Aufholen nach Corona“ genutzt werden und die Programme ggf. ergänzt werden.
Download des aktuell 6.2022