Mit Bestürzung und Verärgerung stellen wir fest, dass mit Verweis auf die Corona-Pandemie der europäische Zusammenhalt auf der Strecke bleibt. In den Grenzräumen werden die gemeinsamen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsräume zerschnitten. Gewachsene Verbindungen werden gekappt und es gibt kein gemeinsames Vorgehen.
Leidtragende sind vor allem die Beschäftigten auf dem gemeinsamen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt. Uns liegen zahlreiche Beschwerden und Problembeschreibungen von Grenzgängern vor. Im Freistaat Sachsen arbeiten über 11.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus der Tschechischen Republik und ca. 20.000 aus Polen. Darunter mehr als 9.000 Grenzgänger aus Tschechien und mehr als 10.000 aus Polen.
Mit nur wenigen Ausnahmen wird diesen Personen, aufgrund der derzeitigen Regelungen in Polen und Tschechien, die Arbeit in Deutschland unmöglich gemacht. Für uns ist überhaupt nicht ersichtlich, warum tschechische und polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Ländern zum jeweiligen Arbeitsort pendeln dürfen und das grenzüberschreitende Pendeln zeitgleich mit Quarantäneauflagen verhindert wird. Dass in Tschechien für einzelne Berufsgruppen Ausnahmen bestehen, ist für den Großteil der Grenzgänger keine Hilfe. Wir halten es für sehr befremdlich, dass damit unterschiedliche Klassen von Grenzgängern geschaffen werden. Wir stehen für die Gleichbehandlung aller Grenzgänger und die Einhaltung ihrer Rechte!
Die Hindernisse der tschechischen und polnischen Regierung für Grenzgänger verstoßen gegen europäische Werte und europäisches Recht. Sie laufen den vereinbarten Grundfreiheiten zuwider und Missachten die Rechte von Grenzgängern. Das Recht auf Freizügigkeit und die geltenden Rechte aus der VO 883/2004 werden einfach ignoriert.
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist, wie auch die anderen Grundfreiheiten, einer der Grundpfeiler eines vereinten Europas. Wenn wir diese Grundfreiheiten jetzt opfern, opfern wir die Europäische Union.
Der Interregionale Gewerkschaftsrat Elbe-Neiße hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1993 für eine gerechte und soziale Entwicklung des Grenzraums eingesetzt. Mit der Integration Tschechiens und Polens in die EU, mit der Aufnahme in den Schengen Raum und mit der Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, konnte das Dreiländereck zu einer gemeinsamen grenzüberschreitenden Region weiterentwickelt werden. Daran hat der IGR Elbe-Neiße mitgewirkt und sich für die Beschäftigten in der Region eingesetzt.
Was wir jetzt erleben müssen, ist ein Rückschritt in die Zeit, als Schlagbäume und Grenzkontrollen das Leben im Grenzraum bestimmten und unsere Region noch unbeachtet am Rande der Nationalstaaten lag. Das Denken vieler Akteure endet nun wieder an Grenzen.
Wir fordern die Regierungen von Deutschland, Polen und Tschechien auf, die Freizügigkeit auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt im Dreiländereck umgehend wieder für alle grenzüberschreitend Beschäftigten herzustellen.