Deutscher Gewerkschaftsbund

23.04.2020

Gemeinsame Erklärung des Interregionalen Gewerkschaftsrats Elbe-Neiße

Mit Bestürzung und Verärgerung stellen wir fest, dass mit Verweis auf die Corona-Pandemie der europäische Zusammenhalt auf der Strecke bleibt. In den Grenzräumen werden die gemeinsamen Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsräume zerschnitten. Gewachsene Verbindungen werden gekappt und es gibt kein gemeinsames Vorgehen.

Leidtragende sind vor allem die Beschäftigten auf dem gemeinsamen grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt. Uns liegen zahlreiche Beschwerden und Problembeschreibungen von Grenzgängern vor. Im Freistaat Sachsen arbeiten über 11.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus der Tschechischen Republik und ca. 20.000 aus Polen. Darunter mehr als 9.000 Grenzgänger aus Tschechien und mehr als 10.000 aus Polen.

Mit nur wenigen Ausnahmen wird diesen Personen, aufgrund der derzeitigen Regelungen in Polen und Tschechien, die Arbeit in Deutschland unmöglich gemacht. Für uns ist überhaupt nicht ersichtlich, warum tschechische und polnische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren Ländern zum jeweiligen Arbeitsort pendeln dürfen und das grenzüberschreitende Pendeln zeitgleich mit Quarantäneauflagen verhindert wird. Dass in Tschechien für einzelne Berufsgruppen Ausnahmen bestehen, ist für den Großteil der Grenzgänger keine Hilfe. Wir halten es für sehr befremdlich, dass damit unterschiedliche Klassen von Grenzgängern geschaffen werden. Wir stehen für die Gleichbehandlung aller Grenzgänger und die Einhaltung ihrer Rechte!

Die Hindernisse der tschechischen und polnischen Regierung für Grenzgänger verstoßen gegen europäische Werte und europäisches Recht. Sie laufen den vereinbarten Grundfreiheiten zuwider und Missachten die Rechte von Grenzgängern. Das Recht auf Freizügigkeit und die geltenden Rechte aus der VO 883/2004 werden einfach ignoriert.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist, wie auch die anderen Grundfreiheiten, einer der Grundpfeiler eines vereinten Europas. Wenn wir diese Grundfreiheiten jetzt opfern, opfern wir die Europäische Union.

Der Interregionale Gewerkschaftsrat Elbe-Neiße hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1993 für eine gerechte und soziale Entwicklung des Grenzraums eingesetzt. Mit der Integration Tschechiens und Polens in die EU, mit der Aufnahme in den Schengen Raum und mit der Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, konnte das Dreiländereck zu einer gemeinsamen grenzüberschreitenden Region weiterentwickelt werden. Daran hat der IGR Elbe-Neiße mitgewirkt und sich für die Beschäftigten in der Region eingesetzt.

Was wir jetzt erleben müssen, ist ein Rückschritt in die Zeit, als Schlagbäume und Grenzkontrollen das Leben im Grenzraum bestimmten und unsere Region noch unbeachtet am Rande der Nationalstaaten lag. Das Denken vieler Akteure endet nun wieder an Grenzen.

Wir fordern die Regierungen von Deutschland, Polen und Tschechien auf, die Freizügigkeit auf dem grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt im Dreiländereck umgehend wieder für alle grenzüberschreitend Beschäftigten herzustellen.

 


Nach oben

Themenverwandte Beiträge

Pressemeldung
DGB Sachsen zu den Pendlerzahlen: Beschäftigte mit besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen vor Ort halten.
Mit Blick auf den Fachkräftebedarf in Sachsen ist die Zahl von 152.048 Auspendlern noch immer viel zu hoch. Die Gründe in andere Bundesländer zu pendeln sind bekannt. Höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und bessere Weiterbildungsmöglichkeiten geben häufig den Ausschlag. Die Unternehmen in Sachsen müssen schleunigst handeln, um die Fachkräfte vor Ort in Sachsen zu halten. Zur Pressemeldung
Pressemeldung
DGB Sachsen fordert von sächsischer Staatsregierung, den Grenzraum im Sinne der Menschen fit für die Zukunft zu machen
Ein gemeinsamer grenzüberschreitender Lebens-, Arbeits-, Bildungs- und Sozialraum braucht gemeinsame Strategien und gemeinsames Handeln. Wir fordern im Grenzraum die Einrichtung eines grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Sozialausschusses, um die Sozialpartner auf Augenhöhe zu beteiligen und gemeinsame Strategien und Handlungsansätze zu entwickeln. Zur Pressemeldung
Pressemeldung
Interregionaler Gewerkschaftsrat Elbe-Neiße: DGB-Chef Schlimbach als Präsident wiedergewählt. Gewerkschaften mahnen offene Grenzen und Zusammenhalt an.
Wir machen uns im Dreiländereck Deutschland, Tschechien, Polen für die Rechte der Beschäftigten auch grenzüberschreitend stark. Ob bei Streikunterstützungen, bei unserem Einsatz für offene Grenzen oder bei der Interessenvertretung von Grenzgängerinnen und Grenzgängern. Unser Ziel sind gute Arbeitsbedingungen und die Gleichbehandlung aller Beschäftigten unabhängig von der Herkunft. Zur Pressemeldung