1933 - Bücherverbrennung am Leipziger Volkshaus?

Geldgier der Nazis bis zum letzten Pfennig

Datum

1933 - Bücherverbrennung am Leipziger Volkshaus?

Nach dem Beschluss des Stadtrates vom 11. November 2020 soll an historischen Orten der Bücherverbrennungen in Leipzig 1933 mit Gedenktafeln erinnert werden. Dabei wird auch das Volkshaus Leipzig in der Karl-Liebknecht-Straße genannt. Zugleich wird zu weiteren Forschungen angeregt.

Die nachfolgenden Erkundungen sind der Beitrag von Monika Kirst (Freundeskreis Leipziger Volkshausgeschichte e.V. / VOLKSHAUS-GESCHICHTSBODEN) zum Beschluss des Stadtrates.   

“Das Buch Nr. 570 `Der abenteuerliche Simplicissimus´ möchte ich Ihnen gern wieder zurückgeben. Was halten Sie davon?“
Was geschah der Zentralbibliothek Leipzig im Volkshaus im Jahr 1933?

Es gibt sie nicht mehr - die „Zentralbibliothek Leipzig, Volkshaus, Zeitzer Straße 32, Saalbau, 1 Treppe." (heute Karl-Liebknecht-Straße)

Die Nazis zerstörten sie - das ist sicher.

Es hat sich in mein Gedächtnis eingegraben. Eingebrannt. Zwei große Seiten, ganz in tiefschwarze Druckerfarbe getaucht. Ein Bericht der Gedenkfeier am 10. Mai 1983 auf dem Leipziger Markt und im Alten Rathaus. Anlass: Der 50. Jahrestag der Bücherverbrennung auf Leipzigs altem Markt im Jahre 1933. Dazu als Abbildung das Foto mit Scheiterhaufen und jungen Leipzigern, fast alle in SA- oder SS-Uniform. Die Bildunterschrift: "Bücherverbrennung auf dem alten Markt in Leipzig am 10. Mai 1933, Foto: ADN-Zentralbild."

Für dieses Herbst-Heft der Leipziger Blätter 1983 schrieb ich einen Beitrag zur Chorgeschichte in Leipzig, so vergaß ich das Schwarz nicht. Es gab für mich zu diesem Zeitpunkt keinen Grund zu zweifeln. Brannte doch in Berlin in der Nacht vom 10. zum 11. Mai 1933 zur Rede von Goebbels in gespenstischer öffentlicher Inszenierung und mit martialischen Feuersprüchen "deutsch-zersetzendes Schrifttum" - und nicht nur dort.

1989, in einer Publikation der Stadt- und Bezirksbibliothek zur Leipziger Bibliotheksgeschichte,[1] entdecke ich die Abbildung des Scheiterhaufens mit jungen Leipzigern von SA und SS erneut. Diesmal sollte es nicht der Markt vor dem alten Rathaus, und nicht der 10. Mai sein. Die Bildunterschrift: "ADN ZB Bücherverbrennung in Leipzig. Am 3. Mai 1933 wurden Teile der Zentralbibliothek der Gewerkschaften auf dem Messplatz öffentlich verbrannt." (S. 36)

Im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzigs trägt das Bild das Datum 2. Mai 1933.

Dann plötzlich, beim Versuch in wilder Nachwendezeit, das Gewerkschaftsarchiv (Archiv des FDGB, Bezirk Leipzig), vor dem Abtransport ins Ungewisse oder in den Container zu retten, bekomme ich die Abbildung als Foto in voller Größe in die Hände. Dem Hausmeister des Volkshauses verdanke ich es. Das Foto mit dem Scheiterhaufen gehört ohne jeden Zweifel zu einer Reihe weiterer Fotos. Sie sind vom 9. März 1933. Sie sind weder auf dem Markt noch auf dem Messplatz aufgenommen worden, sondern auf dem Volkshaushof.

Links im Bild der Verkaufskiosk für Rostbratwurst. Er stand am Eingang zum Volkshausgarten. Er fehlte auf der Abbildung von 1983, war abgeschnitten und auch in der Abbildung 1989 verkürzt. Ein Bild zu beliebigem Gebrauch für Ort und Zeit? Die Verwendung 1983 und 1989 - ein Irrtum? Doch betraf es nur das Foto? Wurden Bücher der Zentralbibliothek in Leipzig öffentlich verbrannt? Waren das die Bücherverbrennungen in unserer Stadt im Jahr 1933?

Schon 1986 schreibt der Leipziger Historiker, Prof. Werner Bramke, dass es keinen sicheren Nachweis für die Bücherverbrennung am Volkshaus gibt.[2]

Bis zum heutigen Tag halten sich die Ungereimtheiten zum Schicksal der Zentralbibliothek Leipzig in Publikationen, in dünnen und dicken Büchern, Ausstellungen, Zeitschriften, Zeitungen, in FF und Rundfunk. Es geschieht deutschlandweit. In jüngster Zeit auch im Internetatlas "Verbrannte Orte".

Sind es nur Irrtümer, die seit Jahrzehnten fortgeschrieben werden?

Seit 2000 werden Verdächtigungen ausgesprochen und niedergeschrieben, in Leipzig wolle man die öffentliche Verbrennung von Büchern der Zentralbibliothek nicht wahrhaben, in unserer Stadt wolle man "Naziuntaten verharmlosen“; Bücherverbrennungen verschweigen [3]

2023 soll es in die Außenhaut des Volkshauses eingeschrieben werden, das Haus als Erinnerungsort der Bücherverbrennung. (Beschluss des Stadtrates vom 11. November 2020 auf Antrag der SPD-Fraktion im Stadtrat)

Erkundungen sind am authentischen Ort des Geschehens im Jahr 1933 im Volkshaus seit 2000 dokumentiert. [4] Doch der Weg zum Volkshaus in der Karli scheint weit, die Treppen zum Volkshaus-Geschichtsboden beschwerlich.

 

Es war eine ganz besondere Bibliothek, die Leipzig 1933 verlor

Die Zentralbibliothek entstand und wuchs “völlig aus der Volkskraft heraus ohne kommunale und staatliche Hilfe“ [5]

1905, das Volkshaus war noch im Bau, wurde der Gedanke einer Zentralbibliothek geboren. 21 Leipziger Gewerkschaften hatten bereits Bibliotheken aller Wissensgebiete, so u. a. die Buchdrucker, Buchbinder, Lithographen und Steindrucker, Holzarbeiter, Fabrikarbeiter, Graveure, Maler, Mauer, Metallarbeiter, Sattler, Schumacher, Schmiede, Stuckateure Vergolder und Zimmerer. Der Leipziger Arbeiterverein und der Sozialdemokratische Verein des 12. Sächsischen Reichstagswahlkreises vereinigten sich und verlegten ihre Bibliothek ins neue Volkshaus. 1907 gilt als offizielles Geburtsjahr, denn in jenem Jahr wird der erste „Katalog der Zentralbibliothek Leipzig“ vom Verlag des Sozialdemokratischen Vereins für den 12. sächsischen Reichtagwahlkreis herausgegeben.

Von Zeitschriften, Lexika, über schöne Literatur, Geschichte, Ökonomie, Politik, Philosophie, Naturwissenschaften, Staats- und Rechtskunde, Technologie, Sprachen, Gesundheitslehre, Erziehung und Bildung bis Satire, Humor und Witz reicht das Angebot.

Allein zur "Frauenfrage" sind 30 Bücher im Katalog von 1907 zu finden, mit den Themen Frauenwahlrecht, Frauenbewegung, Fabrikarbeit, Entlohnung von Männer - und Frauenarbeit, Ehe und freie Liebe, Prostitution als Gegenwartsstudie, Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin, Enquete über Frauenarbeit in Wien, Frauen in der Türkei. Die Sammlung - ein Fundus an Sozialgeschichte.

Die nachgelassenen privaten Bibliotheken von Bruno Schönlank, der Redakteure der Leipziger Volkszeitung Manfred Wittich und Gustav Jaeck gehören ebenfalls zu den 6500 Bänden der Anfangszeit. Deren Sammlungen sind so umfangreich, dass 1908 ein eigenes Bücherverzeichnis  der Nachlässe erscheint: Zeitschriften, Schöne Literatur, Geschichtswerke, Werke über Nationalökonomie, Politik, Sozialismus, Gewerkschaftsbewegung u. dgl., Philosophie und Religionslehre, Naturwissenschaften, Länder und Völkerkunde, Reisebeschreibungen, Staats- und Rechtswissenschaft, Gewerbe- und Handelskunde, Technologie, Sprachwissenschaften, Schriftkunde, Stenographie, Biographien, Briefwechsel, Gesundheitslehre, Naturheilkunde, Turnwesen, Erziehung und Bildungswesen, Satire, Humor, Witz.

Ehrenamtlich sind Bibliothekshelfer und Bibliothekshelferinnen am Werk, werden in Kursen geschult. Auch die Leitung arbeitet unentgeltlich. Eine eigene Zeitschrift erscheint. Arbeiterfreundliche Öffnungszeiten laden ein, an allen Wochentagen, abends von 8 - 10, an Sonn- und Feiertagen vormittags von 11 - 12 Uhr.

In den 1920er Jahren gibt es auch noch eine Zeit am Mittwochnachmittag, denn die Bibliothek hat ein reiches Angebot an Kinder- und Jugendliteratur. Auch dafür wird ein Katalog mit Zeichnungen und Scherenschnitten gestaltet.

Der Leipzig-Lindenauer Gustav Hennig, Sekretär des Arbeiterbildungsinstitutes im Volkshaus (ABI) ist die Seele der Bibliothek. Das ABI ist der Träger, Gewerkschaften und Sozialdemokratische Partei sorgen für den Unterhalt.

Die Bücher dürfen außer Haus. Das ist nicht oder nur sehr schwer in anderen Leipziger Bibliotheken möglich.

"Leipzig hat auch eine Stadtbibliothek mit ca. 120 000 Bänden. Dies ist jedoch keine freie öffentliche Bibliothek." [6]

Die Zerstörung des Volkshauses 1920, als Rechtradikale im Freiwilligenregiment der Reichswehr dieses Haus für

immer im Stadtbild ausbrennen wollen, überlebt die Bibliothek, weil sie im Saalgebäude beheimatet war (Umzug 1909) und dieser Bau von der Leipziger Feuerwehr gerettet wurde. Vernichtet wird beim Brand die im Hauptgebäude aufbewahrte kostbare Bibliothek des Arbeitersekretariats zu Arbeitsrecht und Arbeiterversicherung. 1933 gelingt es den Nazis, die Zentralbibliothek zu zerstören.

 

Ein Buch lebt!

Entdeckung im Jahre 1988. Es trägt den Stempel der „Zentralbibliothek Volkshaus, Zeitzer Straße“. Als 19jährige hat es Lucie Gronau, Elisenstraße 49, (heute Bernhard-Göring-Straße), Montagearbeiterin bei Körting-Radio und Sängerin im Jugendchor von Otto Didam im Volkshaus 1933 ausgeliehen. Nach dem Naziüberfall auf das Volkshaus vom 9.März bringt sie es nicht zurück.

Es ist das Buch des Berliner Arztes Carl Crede´ „Frauen in Not, § 218“, Berlin 1929. Es enthielt authentische Lebensschicksale von Frauen fest, die mit dem Abtreibungsparagraphen in Konflikt kamen. Ein heißes Thema für die jungen Frauen in dieser Zeit. Gefängnis für Unterbrechung, Abtreibung, oftmals Tod. Der Einband: Eine junge Frau, angenagelt an den Paragraphen 218. Das Symbol verstehen alle: Kreuzigungsszene

"In der Bücherei war ich angemeldet", erzählt Frau Gronau [7]  "Die ganzen Jahre habe ich mir dort Bücher geholt, da hatte ich dann zwei noch im Besitz, als die ganze Sache zusammenbrach. Das eine habe ich erst vor kurzem abgegeben, es war § 218. Ich dachte, die Enkel schmeißen es auch bloß weg, schaffst es in die Bücherei. Innen war die Leseordnung noch eingeklebt. `Das ist ja ganz historisch`, sagte die Mitarbeiterin dort zu mir. Die Bibliothek im Volkshaus war im Hof über einem Saal. Ich hab dort viel gelesen, alles was einem so in die Hände kam." Die Kreis-Bibliothek in Wurzen, in der Stadt lebt die Leserin später, gibt das Buch von Carl Crede´ "§ 218 Frauen in Not" nach unserem Gespräch nach Leipzig in die Bibliothek am Leuschnerplatz. Dort wird ein dicker neuer Stempel hineingeknallt, der den altehrwürdigen fast überdeckt.

Meine Freude ist groß, dass es seitdem in der Leipziger Stadtbibliothek gehütet wird, gehörten doch die Bücher des Autors schon vor dem 10. Mai 1933 zu den bereits "vernichteten Büchern" im "Aufklärungsfeldzug der Deutschen Studentenschaft wider den undeutschen Geist". an der Leipziger Universität. (In der "Aufstellung der vernichteten Bücher" von über 200 Autoren der deutschen und internationalen Literatur, von Henry Barbusse, Bert Brecht, Jack London, Heinrich Mann, Thomas Mann ist Carl Crede‘ zu finden in der "Aktion der Ausscheidung aussätzigen Schrifttums". [8]

 

“Das Buch Nr. 570, `Der abenteuerliche Simplicissimus´, möchte ich Ihnen gern wieder zurückgeben. Was halten Sie davon?“

10 Jahre später, am 11. Februar 1999, kommt ein Brief an eine Leipziger Adresse, die es seit 1933 nicht mehr gibt: „An die Zentralbibliothek Leipzig, Volkshaus Zeitzer Straße, 1 Treppe“.

Vielleicht sind es die sorgsam mit Tinte und Feder geschriebene Anschrift und der Zusatz auf dem Couvert „Eine alte Adresse, bitte an die neue Adresse schicken“, die es vermögen, dass dieser Brief nicht als unzustellbar „retour“ geht, sondern in die Bibliothek am Wilhelm-Leuschner-Platz gebracht wird. Dank dafür an die Post:

Eine 92jährige Bürgerin aus Starnberg, Frau Dr. Anna Hildegard Schede, schreibt, sie habe in ihrem Bücherbestand, in Büchern ihres verstorbenen Mannes, den Stempel der Zentralbibliothek entdeckt: “Das Buch Nr. 570, `Der abenteuerliche Simplicissimus´, möchte ich Ihnen gern wieder zurückgeben. Was halten Sie davon?“.

Herr Mannschatz, Mitarbeiter der Stadtbibliothek, nimmt das Erbe sofort an, hütet er doch bereits das gerettete Buch von Carl Crede´.

 Der "Simplicissimus" gehört zu den ältesten Bücherschätzen der Zentralbibliothek Leipzig im Volkshaus. Er trägt den Stempel "Sozialdemokratischer Verein für den 12. Sächsischen Reichtagwahlkreis Leipzig-Stadt".

Dazu den Stempel „Zentralbibliothek Leipzig, Volkshaus, Zeitzer Straße und die eingeklebte Benutzerordnung, ebenfalls mit dem Namen der Zentralbibliothek als Eigentümer und die Angabe: Saalbau 1 Treppe.

"Die Bibliothek wird von der Sozialdemokratischen Partei und dem Gewerkschaftskartell Leipzig unterhalten." So beginnt die Benutzerordnung.

Der "Katalog der Zentralbibliothek Leipzig" von 1907, vom Verlag des Sozialdemokratischen Vereins des 12. sächsischen Reichtagwahlkreises, ist das erste Lebenszeichen der Zentralbibliothek Leipzigs. Den Simplicissimus von Grimmelshausen finde ich im Katalog von 1907 mit zwei Exemplaren und den Nummern 2781 und 6551 im Teil "Deutsche Literatur", S.11.

Auf der ersten Seite des Buches, einem Roman aus dem 30jährigem Krieg (zuerst 1668/69 erschienen):

„Das ist die Beschreibung des Lebens eines seltsamen Vaganten, genannt Melchior Sternfeld von Fuchsheim, wo und welcher Gestalt er nämlich in diese Welt gekommen, was er darin gesehen, gelernt, erfahren und ausgestanden, auch warum er solche wieder freiwillig quittiert. Überaus lustig und männiglich nützlich zu lesen.“

Doch trifft „lustig“ für die Geschichte zu, die auch diesem Buch zustieß?

Weitere 15 Bücher aus Starnberg kommen nach Leipzig zurück.

Darunter sind auch die Bücher: Nussbaum, Anna (Hrsg.), Afrika singt. Eine Auslese neuer afro-amerikanischer Lyrik, Wien und Leipzig 1929; die mehrbändige Geschichte der Revolutionen Europas von Otto Rühle, Dresden 1927; von Henri Barbusse ´Das Feuer`, Zürich 1920.

Alle Bücher aus dem Bücherschrank der Schedes tragen noch einen weiteren Stempel:

"Lokalrichter zu Leipzig, VI. Bezirk."

 

Wie kam es, dass diese Bücher in Starnberg überlebten?

Dr. Anna Hildegard Schede, Romanistin, hilft, Antworten auf die erste Frage nach dem Überleben der Bücher zu finden.

Ein Leipziger hatte sie im Gepäck. Der Architekt Eugen Schede zog 1935 nach München. Als Stief- und Adoptivsohn des Leipziger Direktors der Orthopädischen Universitätsklinik, Prof. Franz Schede, lebte er, wie auch seine Münchner Freundin Anna-Hildegard, in ständiger Gefahr vor den Judenverfolgungen der Nazis. Prof. Schede wollte die Auswanderung ermöglichen, doch Eugen wollte nicht. "Wir waren in großer Gefahr." erinnert Frau Schede. Ein Rechtanwalt und ein Architekt halfen den beiden zu überleben. 1945 heirateten Anna Hildegard und Eugen.

Dokumente der Familie Schede hoffe ich im Universitätsarchiv zu entdecken, vielleicht auch eine weitere Bücherspur.

Im Archiv begrüßt mich der Orthopädie-Professor Franz Schede, als Foto mit eigenem Namenszug, hinter dem Schreibtisch des Direktors des Archivs, Dr. Gerald Wiemers. Das Foto kam im Nachlass des Meisters der Orthopädiewerkstatt ins Archiv, erfahre ich vom Direktor. Seine Freude ist groß, dass Bücher der Zentralbibliothek

aus dem Familienbesitz der Schedes noch leben.

Doch in den sorgsam gehüteten Personalunterlagen des Professor Schede kann ich seinen Adoptivsohn Eugen nicht finden. Ich kann es mir nicht erklären, suche weiter. Dann die Antwort: Professor Franz Schede verschwieg ihn. 1945 bedankt sich Eugen in einem Schreiben für den Schutz und die Hilfe, die er von seinem Adoptivvater erfuhr. Ich schaue auch in beeindruckende und berührende Dokumente über Prof. Schede und seine Hilfe für kranke jüdische Kinder. Seine beschützende Hand für Behinderte in der NS-Zeit, wird auch vom Betriebsrat der Klinik im Jahr 1946 bestätigt.

 

Der Stempel des Lokalrichters - ein Rätsel?

Kurzerhand bezeichnete ich ihn als Aussonderungstempel. So geschehen 2000 in unserer Ausstellung im Alten Rathaus unter den Arkaden, die uns das Stadtgeschichtliche Museum ermöglichte. [9]

Erst bei meiner weiteren Suche fand ich die Lösung in den Akten des Polizeipräsidiums im Staatsarchiv Leipzig: Lokalrichter halfen, für "beschlagnahmtes Eigentum eine verlässliche Schätzung des erzielbaren Wertes" vorzunehmen. Betraf das auch den Leipzig zurückgegebenen Bücherschatz der Familie Schede?

 

Der Stempel des Lokalrichters für Leipzig VI. Bezirk, der sich den Büchern der Schedes befand, gehörte, wie das Adressbuch 1933 vermeldet, Wilhelm Paul Ziegler, Kaufmann, Leipzig C1 Zeitzer Str. 35 II. Es ist die Straße, in dem auch das Volkshaus steht.

Welchem Treuhänder er nach den Verordnungen von 1933 für die Wertermittlung von Raubgutes zu Diensten war, fand ich erst 2008.

Ein mutiger Rettungsversuch für Bücher der Zentralbibliothek vor dem Zugriff der Nazis, brachte mich auf seine Spur. Doch davon später.

In den Sammlungen des Stadtgeschichtlichen Museums unserer Stadt lebt der Stempel des Lokalrichters auch auf einer aus einem Buch heraus getrennten Benutzerordnung der Zentralbibliothek Volkshaus. Vom dazugehörigen Buch konnte sich der Leser nicht trennen. So fehlt uns heute eine weitere Spur. Die "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28.2.1933" war Grundlage für "Beschlagnahme des Vermögens aufgelöster und marxistischer Verbände". Die polizeiliche Zwangsverwaltung, die Bestellung von Treuhändern und der Einsatz von Lokalrichtern als Sachverständige zur Wertermittlung geschah mit Verordnung vom 3. Mai 1933 für das Land Sachsen.

 

Was geschah am 9.März 1933?

Am 9. März 1933 stürmen SA und SS das Volkshaus Leipzig. Sie schlagen den Pförtner blutig, treten die Türen ein, treiben die Angestellten heraus, zerstören das Mobiliar, plündern, schweißen Geldschränke auf. Gestohlene Schreibmaschinen und Rechenmaschinen verhökern sie kurze Zeit später. Im Volkshaushof, am Eingang zum Garten, brennt der Scheiterhaufen. Im Siegestaumel nach der Reichstagswahl vom 3. März 1933, im Machtrausch wüten junge Leipziger.

 

Erich Schillings Bericht

Erich Schilling, Vorsitzender des Gewerkschaftskartells Leipzig des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) bis 1933, erlebt und beschreibt die Tage vom 9. März bis 2. Mai 1933 im Volkshaus. In der ausführlichen Schilderung des Naziüberfalls am 9. März heißt an einer Stelle:

"(...) Während der Besetzung des Hauses durch die SA hatte man tagelang Akten und Schriftstücke durch die Fenster auf den Hof geworfen und im Volkshausgarten verbrannt. Die Feuerwehr verlangte schließlich die Einstellung dieser Vernichtung, da umliegende Privathäuser gefährdet waren." [10] Im Bericht über den Überfall am 9. März, die Folgetage und über die Besetzung des Volkshauses am 2. Mai findet sich kein Wort zur Zentralbibliothek.

Die Aufzeichnungen Erich Schillings sehe ich das erste Mal nach der Wende in Mannheim bei Erika Radtke, seiner ehemaligen Mitarbeiterin. Aus seiner Heimatstadt Leipzig 1953 vertrieben (Kampagne gegen den "Sozialdemokratismus"), unter Lebensgefahr geflüchtet, schrieb er sie 1958 im Exil in Berlin West. Zu dieser Zeit war er Leiter des Berliner Büros des Internationalen Bundes freier Gewerkschaften. Der Titel seiner Arbeit: "Vor 25 Jahren im Leipziger Volkshaus".

1997 bringt Erika Rathke die Aufzeichnungen aus dem Nachlass nach Leipzig

Erich Schilling, hat seit seiner Jugend im Lebensplan, Heinrich Heine im Volkshaus zu ehren. Als Überlebender des KZ Buchenwald wird er 1947 Stifter des Heinrich-Heine-Denkmals im Volkshausgarten [11]

Es ist für mich undenkbar, dass Erich Schilling hätte vergessen können, der Nachwelt zu überliefern, wenn Bücher der Zentralbibliothek mit dem Überfall vom 9. März 1933 auf dem Scheiterhaufen im Volkshaushof gebrannt hätten oder gar erst zum Messplatz transportiert worden wären, um dort zu lodern. Oder auch erst am 2. Mai 1933.

"Was für eine Belesenheit, was für eine Vertrautheit mit dem Gebrauch der Literatur zeigt dieser deutsche Arbeiter – ein überzeugter Sozialist“. So charakterisiert ihn die Zeitung „Kiewskaja Mysl“ Nr. 25 vom 27.11.1918, die über eine Versammlung, organisiert vom Soldatenrat an der Ostfront im ersten Weltkrieg berichtet. 1919 wird Schilling zum Vorsitzenden des Leipziger Gewerkschaftskartells gewählt. In den Publikationen des Gewerkschaftskartells und des ABI sind seine Beiträge zu finden. Er bleibt Vorsitzender, bis die Gewerkschaften 1933 zerschlagen werden und Erich Schilling verhaftet, verfolgt und in das KZ Buchenwald verschleppt wird.

1945 wird er zum ersten frei gewählten Vorsitzenden der Leipziger Gewerkschaften. Noch im Herbst des Jahres wird er abgesetzt, verfolgt als angeblicher Agent, 1947 verhaftet ihn der sowjetische Geheimdienst. Erika Rathke erzählt, wie sie Bücher seiner privaten Bibliothek nach seiner erzwungenen Flucht aus der DDR im Jahre 1953 in einzelnen Paketen von verschiedenen Postämtern aus nach Berlin (West) nachgeschickt hat. Seine Schreibmaschine folgte. Zerlegt.

Erika Rathke brachte sich damit in Gefahr, als „Fluchthelferin“ gefasst zu werden.

 

 Die Fotos vom 9. März 1933 noch immer umstritten?

Am 9. März, Tag des Überfalls auf das Volkshaus, stellen sich Mitglieder von SA und SS in Siegerpose und mit ihren „Heldentaten“ für eine ganze Fotoserie dem Fotografen. (Photo B. Uhlich, Leipzig C1, Markt 9) Sie wurde auch als Ansichtskartenserie in die Öffentlichkeit gebracht. Es sind Fotos mit aus den Fenstern der Büros der Gewerkschaften, der Sozial-, Kultur und Sportorganisationen fliegenden und auf den Hof geworfenen Akten und Schriftstücken. Ein Foto dokumentiert auch den Überfall auf die Räume der Spielvereinigung (Hand- und Fußball), wie die Aktenordner zerfleddert werden. Das Foto - SA und SS am brennenden Scheiterhaufen im Volkshaushof - ist eines aus der Reihe. Der Kiosk: "Rostbratwurst mit Semmel 25 Pfennige" ist zu sehen. Sein Standort, der Volkshaushof, wird auch auf weiteren Fotos dokumentiert. Ein Hauseingang auf dem Hof, ebenfalls auf einem der Fotos zu sehen, ist noch heute im Volkshaushof mit seiner markanten Rosette erhalten.

Als Ansichtspostkarte ist dies auch heute im Staatsarchiv zu finden.[12] Der Text: "Wie sie hausten! Die Nazis `räumen` 1933 im Leipziger Volkshaus auf". Handschriftlich ist zugefügt: "Faschistischer Terror 1933. Die Nazis verwüsten das Volkshaus 1933. Die aus den Fenstern geworfenen Akten bedecken den Hof des Volkshauses." Es ist die Handschrift der Archivleiterin des Ernst-Thälmann-Hauses M. Donath. Undenkbar, dass in der Geschichtsschreibung im Ernst-Thälmann-Hauses des FDGB eine Bücherverbrennung vergessen worden wäre.

Ebenfalls in der Handschrift der Archivleiterin ist eine Kurzchronik "80 Jahre" erhalten [13]  Für das Jahr 1933 gibt es kein Wort über eine Bücherverbrennung im Volkshaus. Für 1909 und den Parteitag der SPD wird von der Archivarin die "umfangreiche Bibliothek mit Lesesaal (Zentralbibliothek der SPD)" erwähnt.

Wie ist es möglich, dass es bis zum heutigen Tag Zweifel am Aufnahmeort der Fotos gibt?

Der Volkshaushof steht heute allen offen. Das Datum der Fotos, 9. März 1933, ist sicher. Auch eine Anschlagtafel auf einem der Fotos zeigt noch das Datum der Veranstaltungen vom Vortag, dem 8. März, in Leipzig.

Fotos verwüsteter Räume, aufgeschweißter Tresore sind ebenfalls überliefert, vermutlich etwas später dokumentiert und gehören offensichtlich nicht in die Reihe der Vorlagen für die Ansichtspostkarten.[14]. Wer heute noch am Messplatz als einem der Orte der Bücherverbrennung festhält, kann sich noch immer auf die Publikation der Stadt- und Bezirksbibliothek von 1989 berufen. Am 6.11.2000 erfahre ich, (von Horst Gebauer, Mitautor, Historiker, Bibliothekar) dass die damalige Leiterin des Autorenkollektivs, Renate Florstedt, "eigenmächtig" das ADN-Foto mit der neuen Bildunterschrift versah. Sie sei von Autoren der Publikation gewarnt worden. 2019 erfahre ich noch immer in der Stadtbibliothek am Leuschnerplatz: "Diese Eigenmächtigkeit fällt uns bis heute auf die Füße." (Während dessen wird 2019 vom Fotografen Jan Schenk aus dem Westen Deutschlands auf einem Kurztrip nach Leipzig das Nichts auf dem Messplatz als ein Ort der Bücherverbrennung in Deutschlands Medien in Umlauf gebracht)

 

Der Brief an den Reichspräsidenten Hindenburg

Ein weiteres historisches Dokument berichtet über den März 1933 in Leipzig.

Der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) wendet sich in einem Brief vom 5. April 1933 an den Reichspräsidenten von Hindenburg und fordert die Einhaltung von Recht und Gesetz in Deutschland. Von 39 besetzten Gebäuden der Gewerkschaft werden die Vorfälle nach den Wahlen vom 5. März bis zum 25. des Monats mitgeteilt:

Der Bericht über Leipzig stützt sich dabei auch auf das authentische Protokoll der SA.

Im Brief an Hindenburg heißt es:

"Aus Leipzig-Volkshaus[15] berichtet ein Protokoll der SA-Standarte 107 vom 18. März, unterzeichnet Martin, dass allein in den Zimmern 12 und 13 (von etwa 150 Büros) des Volkshauses die Geldschränke mittels Gebläseapparates aufgeschnitten und das in den Geldschränken befindliche Bargeld in Höhe von ungefähr Mk. 2000.- sowie Haupt- und Kassenbücher von "Unbekannten" herausgenommen wurden (...)

Obwohl in der Leipziger Presse anlässlich von Besichtigungen des Volkshauses behauptet wurde, dass alle Räume völlig intakt seien, ist durch Augenzeugen inzwischen festgestellt, dass die Büroräume ausgeraubt und das Mobiliar verschleppt oder verbrannt worden ist. Die Gewerkschaftshäuser und Büros wurden in S.A.-Unterkünfte verwandelt und offiziell als solche bezeichnet. In Leipzig versuchten Vertreter des Gesamtverbandes mit Genehmigung des Polizeipräsidenten und des Standartenführers Stoffregen die Büroräume zu betreten, um Material zur Auszahlung von Unterstützungen zu holen. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Räume sich in einem Zustand befinden, wie er schlimmer nach einer Brandkatastrophe nicht sein kann. Sämtliche Akten, Bücher, Archive usw. sind aus den Räumen entfernt und, wie an den Brandstellen in den Höfen zu erkennen ist, verbrannt worden" [16] Im Brief werden ausdrücklich die Büroräume im Hauptgebäude genannt, die mit Genehmigung betreten werden konnten.

Zum Saalbau, in dem sich die Zentralbibliothek befand, und zur Zentralbibliothek findet sich im Brief keine Aussage.

Die Aussagen des Braunbuchs

Nachrichten aus dem faschistischen Deutschland über die ersten Monate des Terrors erscheinen bereits im Juli 1933 im ´Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror´ in Basel. Professor Albert Einstein und Lord Marley unterstützten diese frühe Publikation. Unter Todesgefahr wurden die Berichte aus Deutschland herausgebracht. Irrtümer waren möglich, so vielleicht auch die Nachricht von einer öffentlichen Verbrennung der Zentralbibliothek im Volkshaus in Leipzig am 10. Mai 1933, die später mehrfach dem Braunbuch zugeschrieben wird. Doch das ist dem Braunbuch nicht zu entnehmen. Von Überfällen auf Volks- und Gewerkschaftshäuser in ganz Deutschland wird berichtet.

Über Leipzig steht im Braunbuch:

"Die Bibliothek im Leipziger Volkshaus, eine der wertvollsten und größten Büchereien Deutschlands mit unersetzlichen und seltenen Werken der Arbeiterbewegung, fiel dem Hass der braunen `Kulturträger` gegen den Marxismus zum Opfer." Wie es geschah, ist nicht zu entnehmen.

Als Beispiele öffentlicher Bücherverbrennungen vom 10.Mai werden genannt: Berlin, München, Dresden, Breslau, Frankfurt a. M. S. 156/157.[17]

1964 wird die Bücherverbrennung in Leipzig in Zusammenhang mit dem 10. Mai festgeschrieben:

"In Leipzig brannte drei Tage und drei Nächte lang das Feuer, in das betrunkene SA Leute die Bücher der Zentralbibliothek der Gewerkschaften, die Bücher anderer Kultureinrichtungen der Arbeiterklasse sowie deren Akten und Inventarverzeichnisse geworfen hatten. Dazu: "Foto des Mus. f. Geschichte der Stadt Leipzig: SA-Männer verbrennen die Bibliothek der Leipziger Gewerkschaften." (S. 187)[18]

 

Der Enkel des letzten Geschäftsführers des Volkshauses 1933 weiß aus der Familiengeschichte der Wickleins, dass am 9. März auch Mobiliar aus der Wohnung im Volkshaus auf den Hof geworfen und verbrannt wurde. Das Sofa wurde in die 1. Etage des Metallarbeiterverbandes geschleppt und in öffentlichen Führungen als "Sündenbett der Gewerkschaftsbonzen" vorgeführt. (Auch für das Volkshaus Dresden wurde diese Geschichte inszeniert)

 

Vorübergehende Besetzung?

 Die Neue Leipziger Zeitung vom 10.3.1933 schreibt "vorübergehend besetzt" und von "Sicherungsmaßnahmen" für die Überfälle auf das Volkshaus in der Zeitzer Straße, das Gebäude der Leipziger Volkszeitung in der Tauchaer Straße. die Zentrale der KPD in Czermaks Garten. “Leipziger marxistische Giftküche besetzt“, heißt es über das Volkshaus in der Leipziger Tageszeitung am 10.3.1933.

"Vorübergehend besetzt"? (Folgendes ist hier eingefügt, weil auch in der heutigen Literatur der Tag des Überfalls von SA und SS erst auf den 2. Mai datiert wird.)

Die SA richtet sich im Volkshaus von März bis Anfang Mai "häuslich" ein, bis sie von den eigenen Leuten der NSDAP nach dem 2. Mai hinausgeworfen wird. Auch das berichtet Schilling.

Nils Humboldt findet 2012 in den Akten der Ullrich-Brauerei eine weitere Beschreibung der "vorläufigen Besetzung".

Karl Wicklein, Geschäftsführer der Volkshaus GmbH bittet um Stundung der Hypothekenzinszahlung. "Das Volkshaus ist am 9.März d. J. polizeilich geschlossen, von der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei durch SA und SS besetzt worden", schreibt Wicklein. Der gastronomische Betrieb sei seit dem 9. März geschlossen, Die Besatzung aus SA und SS habe für die Verpflegung alle Vorräte verbraucht, ohne zu bezahlen. Das Datum des Schreibens ist der 10. April 1933.[19]

 

Für Führungen für die Leipziger Bevölkerung durch die aufgeräumte und präparierte 1. Etage des Metallarbeiterverbandes trieben die Besetzer auch noch Geld ein.

Die Markkleebergerin Margarete König, hat 1933 in der Rechtsabteilung des Steinarbeiterverbandes im Volkshaus gearbeitet. Sie hat die Erlebnisse jener Tage in Stenographie in ihren Kalender geschrieben und sie liest vor:

"5. April: Heute waren wir wieder früh arbeiten, den Ausweis musste ich vorzeigen, es standen schon früh die Posten.

Am Abend wurden am Ausgang Zeitzer Straße die Taschen nachgesehen. 2.Mai: Unseren Redakteur Siebold in Schutzhaft genommen. 3. Mai: unseren Vorsitzenden in Schutzhaft genommen. Kommissare wurden eingesetzt"

Frau König hält inne, lacht und kommentiert zugleich: "Hier steht, wir sollen Urlaub einreichen beim Kommissar.

Oh ich dummes Luder, dabei hatten die uns doch schon rausgeschmissen., und wir haben noch gedacht, wir haben Ferien.“[20]

 

Am 2. Mai 1933 eignen sich die Nazis das Volkshaus amtlich nach "Recht und Gesetz" an.

Dienstag, den 2. Mai 1933, Vormittag 10 Uhr, beginnt die Aktion gegen die freien Gewerkschaften in ganz Deutschland. Von den Nazis akkurat bis ins Detail vorbereitet. Als "Gleichschaltungsaktion" verfügt von der NSDAP, der Obersten Leitung, München am 21.4 1933. Stabsleiter ist Robert Ley, (Rundschreiben Nr. 6/33".)[21]

"Kommissarische Leiter für die Organisationen" sind bestimmt. Sie halten am 2. Mai auch die "Anordnung für die Schutzhaft" in der Hand Die Listen der zu Verhafteten sind geschrieben Diesen Tag hat die NSDAP in ganz Deutschland und auch in Leipzig exakt vorbereitet und fest in der Hand.

Noch immer werden bis heute Fotos vom 9. März mit Überfall durch SA und SS, Scheiterhaufen und den aus den Fenstern fliegenden Unterlagen auf den 2. Mai datiert.

Erich Schilling schreibt: "Am 2. Mai waren plötzlich Polizei und Angehörige der Nationalsozialistischen Betriebsorganisation in die Gewerkschaft gekommen, an Hand einer Liste wurden hauptsächlich die Vorsitzenden der Gewerkschaften verhaftet und an deren Stelle Nazis gesetzt, in einer Versammlung der übrigen Angestellten

die Verhafteten der Korruption, Unterschlagung und sonst wie beschuldigt, die anderen ermahnt und bedroht, wenn sie nicht gewissenhaft ihre Arbeit fortsetzen würden.“

Schon am 2. Mai werden Geschäftsunterlagen der einzelnen Gewerkschaften geprüft. "Prüfungsberichte"

werden schon am Vormittag im Volkshaus geschrieben und noch am selben Tag von einem Bücherrevisor unterzeichnet. Die Dokumente liegen im Staatsarchiv. So konnte über die Geschäftsführung des Fabrikarbeiterverbandes im Volkshaus nichts beanstandet werden. Auch dem Geschäftsführer des Volkshauses, Karl Wicklein, wird bescheinigt, dass alle Unterlagen ordnungsgemäß geführt und übergeben wurden.[22] Dem 1. Kassierer des Metallarbeiter-Verbandes Kurt Beck wird bestätigt, dass die Ortsverwaltung Leipzig des Verbandes „in finanziell geordneten Verhältnissen an die Beauftragten der NSBO bez. Deutschen Arbeitsfront übergegangen ist.“ (Zeugnis vom 21.8.1933. privat, Sammlung VH- Geschichtsboden)

Doch in der Presse 1933 lese ich das anders: "verschwundenes Aktenmaterial sowie Kassenbücher".

"Außerdem fanden eine ganze Reihe Haussuchungen statt, die auch in den nächsten Tagen noch fortgesetzt werden. Es handelt sich bei diesen Haussuchungen vor allem darum, das verschwundene Aktenmaterial sowie die Kassenbücher herbeizuschaffen, die bei den meisten Organisationen fehlen."[23] Eine ungeheure und abgestimmte Lügenkampagne in der Presse bis in die lokalen Zeitungen im Umfeld Leipzigs bestimmt die Tage nach dem 2. Mai 1933.

 

Erst am 24. September 2008 fand ich im Staatsarchiv nach jahrelanger Suche die Listen der Verhafteten im Volkshaus Leipzig vom 2. Mai, dazu mehrere Exemplare der "Verordnung" (Verhaftungsbefehl).

Erst in der Folgezeit stieß ich auf Spuren der Zentralbibliothek im Archiv.

Noch am 1. Mai 1933 hatte der ADGB mit dem Aufruf zur Teilnahme an der Maidemonstration auf Rettung der freien Gewerkschaften gehofft. Doch die Verhaftungslisten waren auch für Leipzig schon längst geschrieben

 

Hier der Text der "Verordnung":

"Der kommissarische Leiter der freigewerkschaftlichen Organisationen                                            

Leipzig, den 2. Mai 1933

Anordnung

Die Bevollmächtigten der freien Gewerkschaften Leipzigs sind sofort in Schutzhaft zu nehmen!"

 (Unterschrift) Peitsch

                          Rogge (Polizeipräsident)

(Stempel: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Kreis Leipzig

Kreis-Betriebszellen-Abteilung“)

 

Auf Anordnung der NSDAP, NSBO Kreis Leipzig, Kommissar Peitsch werden 28 Angestellte der Gewerkschaft in "Schutzhaft" genommen, "dem Polizeipräsidium zugeführt und hier in Verwahrung genommen“, ist den Akten des Polizeipräsidiums vom 2. Mai 1933 zu entnehmen.

An den drei Folgetagen werden weitere Bevollmächtigte der Gewerkschaft verhaftet, offensichtlich einige auch am Wohnort. Haussuchungen folgen. Es passt ins Bild "deutscher Gründlichkeit", dass auf den Listen der Verhafteten unter der Nr. 24 vom 2. Mai 1933 steht: "1 Buch `Die Verfassung` und 1Buch `Betriebsrätegesetz`" Dazu: "In der Wohnung des Knobloch bei dessen Festnahme vorgefunden". Unterschrift: Hörseljau Pol.-Oblt. und Bereitschaftsführer

 

Den Gewerkschaften wurden die Köpfe abgeschlagen, verbunden mit ungeheurer Hetze und Verleumdung. gegen die Bevollmächtigten der Gewerkschaften. Doch die Gewerkschaftsmitglieder werden in einer gewaltigen Kampagne umworben und einverleibt von der Nationalsozialistischen Betriebsorganisation (NSBO) in die Deutsche Arbeitsfront (DAF). Beides Gliederungen der NSDAP. "Dich, Arbeiter, brauchen wir" (Robert Ley, 2.5.1933).

Die Sozialdemokratische Partei, mit der Zentralbibliothek im Volkshaus untrennbar verbunden, wird verboten (Verbot 22. Juni 1933). Führung und Mitglieder werden als Staats- und Volksfeinde verfolgt.

Das Vermögen der Sozialdemokratischen Partei wird nach polizeilicher Beschlagnahme und Zwangsverwaltung zur Treuhandmasse und wird Treuhändern zugeordnet. Die Beschlagnahme wird mit "Sicherung des Vermögens der SPD" wegen "zahlreiche(r) Untreuefälle, die durch die NSBO aufgedeckt wurden" vom Generalstaatsanwalt Berlin bereits Anfang Mai angeordnet (LNN 11. Mai 1933)

 

Im Staatsarchiv liegen die Zeugnisse der Geldgier der Nazis: Auf Heller und Pfennig, das "sofort verwertbare Vermögen", die "genaue Wertangabe der beschlagnahmten Gegenstände", vom Treuhänder verlangt, bis zum letzten Papierkorb; auch das, was für SA-Heime und SS und weitere NS-Organisationen in der Folgezeit freigegeben wurde.

Die Aktenmappen des Polizeipräsidiums im Staatsarchiv "Vermögen aufgelöster und marxistischer Verbände 1933" und "Einziehung kommunistischen und staats- und volksfeindlicher Vermögen" und sind gut gefüllt. Kriterien für den Raubzug bekam jeder Lokalrichter in die Hand: Die Vorgaben exakt: "Beschlagnahmtes Barvermögen", "Betreibbare Außenstände," "Sonstiges sofort verwertbare Vermögen " Im Aktenbestand ist namentlich festgehalten,

welcher Lokalrichter welche Vereine und Organisationen prüfte. Ausraubte.  

Selbst dem kleinsten Turnverein wurden die Taschen umgestülpt und exakt die Beute aufgeschrieben. Bis zum letzten Pfennig. Das Tempo wurde ständig angemahnt.

Listen, Listen und nochmals Listen und Tabellen über die "Enteigneten"- akribisch geführt, liegen im Staatsarchiv,

Nur einige sollen genannt werden: Reichsbanner, Gemeinschaft der Kinderfreunde, Arbeiter-Radiobund, Leipziger Lehrerverein, Sozialistischer Ärztebund, Leipziger Buchdruckerei AG, Arbeiter-Turnverlag, Touristenverein Naturfreunde, Arbeiter-Samariterbund, Reichsverband Republikanischer Motorradfahrer e.V., und Reichsbund der Kriegsgeschädigten, Kriegsinvaliden und Kriegshinterbliebenen, Freie Turnerschaft Leipzig-Paunsdorf und weitere Leipziger Turn und Sportvereine, (allein in Leutzsch 4 Sportvereine) und 18 Chöre, darunter große Chor-Gemeinschaften und Sängerbünde.

Der "Verwahrungsboden des Polizeipräsidiums" und die "Lagerräume in der Beethovenstraße"

für die "Effekten" waren schon im September 1933 übervoll.[24]

 

Der Bücherraub

Welchem Treuhänder der Lokalrichter für Leipzig VI. Bezirk. Ziegler, für die Wertermittlung des Raubgutes zu Diensten war, fand ich im Staatsarchiv nach langer Suche erst in den Jahren 2008 bis. 2010.

Es war der Rechtsanwalt und Treuhänder Dr. Gangolf Schnauß im Petersteinweg 13.(Heute das Nachbarhaus des Schallplattenladens), seine Kanzlei - fast in Sichtweite zum Polizeipräsidium und zum Volkshaus. Sein Stempel weist ihn als Treuhänder für das Vermögen der Leipziger SPD Ortsvereine aus: Dr. G. Schnauß (handschriftlich), darunter Treuhänder der Ortsvereine der S.P.D. im Gebiet der Stadt Leipzig.

Sein Stempel vom Herbst 1933 ist schon größer, weil sein Gebiet umfangreicher.

"Mit der Verwaltung des eingezogenen Vermögens der SPD Bezirke, des Unterbezirks Groß Leipzig und der Ortsvereine im Gebiete der Stadt Leipzig beauftragt.

Wurde Schnauß auch zum Herrscher über polizeilich beschlagnahmte Bücher bestellt? Entschied er über den Umgang mit Raubgut, über Verscherbeln, Versteigern, mit exakter Aufstellung nach Wertbestimmung? Übers Einstampfen?

 

Rettungsversuche erzählen Geschichte

Johannes Rauschenbach, letzter Obmann der Zentralbibliothek, berichtet nach dem Ende der Naziherrschaft am 18. Dezember 1945 über das Schicksal „seiner“ 10 000 Bücher im Jahre 1933. "1. Ein Teil wurde gestohlen, 2. Ein Teil in den Besitz der NSDAP überführt, 3. Ein Teil versteigert und 4. der Rest verbrannt.“[25] Doch Folgendes fehlt in diesem vom Leipziger Bibliothekar Horst Gebauer aufbewahrten Bericht.

Ich fand es im Staatsarchiv.[26] 

Am 9. August 1933 gab es in der Wohnung von Johannes Rauschenbach, Fichtestraße 33 eine Durchsuchung.

4 Kisten wurden im Keller gefunden. "Diese waren mit Reichstagsberichten, Werken von Goethe, Herder, Lessing, 2 Bänden des Schmalkaldischen Krieges und Universum von 1825 gefüllt. Hierzu gab er folgendes an:

`Am 4.3.1933 bestand bei uns der Verdacht, dass das Volkshaus auf irgendeine Weise abbrennen könnte.

Aus diesem Grunde habe ich die wertvollsten Bücher in Verwahrung genommen. Die Bücher stehen dem Treuhänder Rechtsanwalt Schnauß, Fernsprecher 23168, zur Verfügung."

Im Polizeibericht heißt es weiter:

"Bei der Durchsuchung der Wohnung fanden wir eine reichhaltige Bibliothek vor. In dieser fanden wir 14 Hefte über Sozialistische Bildung und 1 Buch Rosa Luxemburg Briefe vor. Diese wurden beigezogen und beigefügt.

Dem Rauschenbach wurde erklärt, dass die Kisten beschlagnahmt seien und er darüber nicht mehr verfügen dürfe."

Handschriftlich wird an diesem 9. August 1933 nach der Durchsuchung von einem weiteren Polizeiangehörigen vermerkt:

"Wie aus vorstehendem Bericht hervorgeht, ist zu vermuten, dass die versteckten Bücher der Bestandsaufnahme des Treuhänders entzogen worden sind. Es empfiehlt sich, die Kisten abtransportieren zu lassen und einer genauen Durchsicht zu unterziehen." Das Polizeipräsidium sieht "Veranlassung", dass "die Bücher offenbar zur Treuhandmasse der SPD gehören". Schnauß prüft am 24. August 1933 und schreibt dem Polizeipräsidium Abt. IV. in Leipzig:

"nach Kenntnisnahme zurückgereicht. Die Bücherkisten sind sichergestellt und in die Zentralbibliothek geschafft worden."[27] Dazu Unterschrift und Stempel von Schnauß.

Gibt es also die Zentralbibliothek im August 1933 noch?

Die Aktenlage spricht dafür.

 

Doch nicht nur er hat versucht, Bücher der Zentralbibliothek vor der Vernichtung zu retten. Auch von einer weiteren Bibliothekshelferin, Frau Edith Schoen, ist das sicher.

Die von ihr geretteten Bücher überstanden die Dachschäden nach 1945 nicht. Ihre Tochter, Ilse Gleisberg, bestätigt es., ebenso Ilse Rausch, Sängerin im Chor von Otto Didam. Dass noch weitere der 23 freiwilligen Mitstreiter der Bibliothek Bücher zu retten versuchten, kann nur vermutet werden.

 

Warum sagt Johannes Rauschenbach nach dem 2. Weltkrieg kein Wort über die Durchsuchung?

Bereits im Herbst 1945 werden ehemalige Mitstreiter des Volkshauses sozialdemokratischer Gesinnung in Leipzig verdächtigt, verdrängt und verfolgt. Die Listen liegen im Staatsarchiv ("Volkshauskreis"). Blieb es deshalb unerzählt?

 

Ob Johannes Rauschenbach das Folgende wusste? Erst 2008 finde ich im Staatsarchiv eine handschriftliche „Meldung“, die das Polizeipräsidium erreichte und ihn denunzierte.[28] „Es besteht der Verdacht, dass der SPD-Mann Rauschenbach, S 3, Fichtestr. 33, in seinem Kellerraum in mehreren Kisten Bücher fragwürdigen Ursprungs aufbewahrt.“ Der Haumeister für die Fichtestraße 33-41, NSDAP Mitglied, zeigt ihn beim Blockwart an und dieser meldet es dem Führer der SA Standarte 107[29] und dieser der Politischen Abteilung des Polizeipräsidiums.

Die Meldung hat kein Datum, im Text wird der 19.7.33 aufgeschrieben, als der Tag, an dem ein Büchertransport beobachtet wurde. Zwei Frauen werden namentlich genannt, die beim Transport geholfen hätten. Für den 1.August wird vom Führer der Standarte 107 vermerkt: "weitere Erörterung" und "Durchsuchung".

Am 16. November 1933 übergibt Schnauß dem Polizeipräsidium eine Übersicht über das Vermögen der SPD. Bezirk Leipzig, Unterbezirk Groß-Leipzig und der Ortsvereine im Gebiete der Stadt Leipzig. In der Übersicht erscheint für die Ortsvereine der SPD als "Inventar: Zentral -Bibliothek als Vermögenswert: 5.533,45 und an Verbindlichkeiten der Zentral-Bibliothek 1.024.80[30]

 

„Vogelfrei“

Während in Deutschland Verhaftungen, Folter, Mord, Konzentrationslager herrschen, werden die aus Rauschenbachs Privatbücherei bei der Hausdurchsuchung "beigezogenen" 12 Hefte zur Sozialistischen Bildung" und "Rosa Luxemburg, Briefe" über 3 Jahre zum Aktenvorgang bis zum 3.2. 1936.[31]

 

In Leipziger Stadtteilen gehen SA und SS auf Menschenfang. So geschehen am 25. März 1933 in Leutzsch.

Junge Mitglieder der SA, noch Schüler der höheren Schule, nehmen 5 gestandene Männer im Alter von 45 bis 63 Jahren einfach in "Haft". Sie hätten eigentlich 12 Gewerkschaftsführer zu einem Scheuerkommando zusammenstellen wollen. Doch sie fanden nur zwei, so nahmen sie zwei Lagerhalter und einen Handlungsgehilfen mit, trieben sie ins SA-Heim Am Wasserschloss 18 und anschließend durch die Straßen.[32]

"Vogelfrei" sind die Menschen in Deutschland, schreibt die Sächsische Gewerkschaftszeitung am 15. März 1933

über die "Blutwochen". Hermann Schlimme, Gewerkschaftssekretär im Bundesvorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), in diesen Tagen von SA und SS misshandelt, fordert in mehreren Briefen an den Reichspräsidenten von Hindenburg, er möge der Gesetzlosigkeit, die er mit Fakten belegt, Einhalt gebieten. Er schreibt von "Prügelorgien", von denen nicht gesprochen werde, aus Furcht vor erneuter Misshandlung.

 

Bis Ende  August 1933 bin ich bisher der Spur der Zentralbibliothek und der geraubten Bücher gefolgt, die als Treuhandmasse der Ortsvereine der SPD im Gebiet der Stadt Leipzig (SPD-Verbot am 22. Juni 1933) angesehen wurde. Der Stempel des Lokalrichters läßt die weitere Geschichte vermuten.

Für das Raubgut folgten Verkauf, Versteigerung, Übergabe an Naziorganisationen, nicht Verwertetes kam auch an das Land Sachsen. Auch das Einstampfen für Papierfabriken brachte noch Geld.

Es konnte nicht gründlich und schnell genug geraubt werden.

 

Folgendes zum Schicksal der LVZ ist eingefügt, weil es wie die Zentralbibliothek auf den Herrschaftsbereich des Treuhänders  verweist und zugleich auf das geforderte Tempo des Raubes.

So entschuldigt sich Schnauß, der auch Treuhänder über die LVZ als SPD -Vermögen ist, im Schreiben vom 30. November 1933 an das Polizeipräsidium Abt. IV. (Zugleich ist aktenkundig, welch größeren Umfang sein ihm zugewiesener Herrschaftsbereich im November hat.)

"In der SPD-Sache ist die Bilanz durch Versteigerung inzwischen überholt. Der Bericht zu dieser Bilanz und die Überweisung an die Polizeikasse muß sich aus diesem Grund und auch wegen Abtransport der Möbel aus der Volkszeitung um einige Tage verzögern.

                                                                              Heil Hitler.

                                                                              Rechtsanwalt Dr. G. Schnauß

                                                                              Mit der Verwaltung des eingezogenen Vermögens der SPD

                                                                              des Unterbezirks Groß Leipzig und der Ortsvereine im Gebiete des Stadt Leipzig beauftragt[33]

                                                                             

Anfang 1934 ermächtigt das Polizeipräsidium Schnauß, diejenigen Inventargegenstände, die den nationalen Verbänden usw. nicht überlassen worden sind, baldmöglichst zu verkaufen oder zum Schätzwert zu versteigern.

Die ungeheure Geldgier der Nazis bis zum letzten Pfennig und das Tempo lassen erahnen, für welche Pläne das Erbeutete gebraucht wurde.

In den Akten ist auch der unterschiedliche Umgang mit sozialdemokratischem und gewerkschaftlichem Eigentum zu erfahren:

Das gewerkschaftliche Eigentum der freien Gewerkschaften wurde polizeilich beschlagnahmt, von der NSDAP der Deutschen Arbeitsfront übergeben und ein Volkshauspfleger eingesetzt. Die Mitglieder der Organisation wurden der Deutschen Arbeitsfront (DAF) einverleibt, die Bevollmächtigten der einzelnen Gewerkschaften verjagt und verfolgt.

Die Bücherschätze der Zentralbibliothek werden als Besitz der SPD angesehen und geraubt.

Am 2.Mai 1933 endet die Geschichte der freien Gewerkschaften und des Volkshauses Leipzig. Die Volkshaus GmbH wird enteignet samt dem ihr gehörenden Gelände. Die Deutsche Arbeitsfront (DAF) als Teil der  NSDAP wird zum 30. September 1933 Eigentümer.[34]

Der Leipziger Arbeiterbevölkerung geht eine Stätte der "Aufklärung, Ermunterung, Geselligkeit und Erholung"  verloren, wie es im Aufruf an die Leipziger Arbeiterschaft 1904 anlässlich des Kaufes des Vergnügungsetablissements Tivoli hieß, auf dessen Gelände das neue Volkshaus aus eigener Kraft erbaut wurde. Leipzig verliert 1933 einen Ort demokratischer Kultur, sozialer Arbeit, Rechtshilfe und internationaler Offenheit.

Damit verlieren auch der Jugendchor und weitere Chöre, der Volkssingakademie unter Otto Didam, der Kinderchor mit Eduard Nietner, Naturfreunde, Esperantisten, Freidenker, das Reichsbanner, Arbeitersportler, das Arbeiter-Bildungs-Institut ein Zuhause, den Treffpunkt, Versammlungsräume, Konzert- und Probenräume, nationale und internationale  demokratische Organisationen ihren traditionellen Kongressort, große Turn- und Sportfeste und Sängerfeste in Leipzig ihre Betreuung und Versorgung durch die Volkshausküche.

Das Volkshauses wurde "Haus der deutschen Arbeit" und die Gastronomie "Haus Vaterland“.

"Trotz alledem", seit dem Wiederaufbau nach der Zerstörung 1920 als Hausspruch unterm Turm, wird herausgeschlagen.

"Deutschland soll leben, und wenn wir sterben müssen" - steht auf dem Spruchband im Mai 1933 unterm Turm auf der Adolf-Hitler-Straße.

Das Haus stirbt Anfang 1945 im Bombenhagel.

 

Die stillere, aber gründliche "Säuberung" in unserer Stadt

Eine große öffentliche Bücherverbrennung als symbolischer Akt, als große organisierte Propagandaschau, wie in mehreren großen Universitätsstädten Deutschlands am 10. Mai 1933 geschehen, hat es in Leipzig nicht gegeben. Diese Erkenntnis hat sich durchgesetzt.

Doch in unserer Stadt wurde nicht weniger "gesäubert", nur etwas leiser und sehr gründlich.

Es begann nicht erst mit dem 10. Mai 1933.

Was bereits zuvor an deutschen Universitäten geschah - Treiber ist die „Deutsche Studentenschaft“- trifft auch für Leipzig zu. Schon vor dem 10. Mai, schon vor der Erklärung des Börsenvereins Deutscher Buchhändler vom 11. Mai und immer wieder verändertem und verschärftem Index in sogenannten „Schwarzen Listen“, beginnt der "Aufklärungsfeldzug wider den undeutschen Geist". (Am 12. April 1933 Veröffentlichung des Aufrufs der Deutschen Studentenschaft: „Wider den undeutschen Geist!“) Bereits vor dem 10. Mai 1933 gelten Bücher schöngeistigen und zeitgeschichtlichen Inhalts von über 200 Autoren an der Uni Leipzig öffentlich für "ausgemerzt" und "vernichtet".

Darunter sind: Henry Barbusse, Johannes R. Becher, Bert Brecht, Klaus Mann, Thomas Mann, Heinrich Mann, Arnold Zweig, Stefan Zweig, Jack London, Anna Seghers, Erich Maria Remarque, Ernst Cassirer, Gustav Radbruch, Philipp Scheidemann, Leo Trotzki.

Bereits im Dezember 1932 wird die "Studentische Bücherei " in einem in der "Leipziger Studentenschaft" veröffentlichten Aufsatz als eine der "gefährlichsten Büchersammlungen" angesehen.[35] Am 11. Mai 1933 berichtet Rolf Meckler in den  LNN von der "großen studentischen Kundgebung, bei der Reichsminister Goebbels sprach, und dem "Höhepunkt mit der Verbrennung bzw. Vernichtung des völkisch zersetzenden Schrifttums". Von einem Scheiterhaufen für Bücher am Vortag in Leipzig wird nichts mitgeteilt.

 

Vermutet wird in der Literatur, dass Leipzig als Buchstadt und als Stadt der am 14. Mai 1933 stattfindenden Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig noch „Rücksicht“ auf das Ansehen auch im Ausland nehmen wollte. Über den eventuellen Einfluss von Carl Goerdeler schreibt Werner Bramke bereits 1986.[36] Doch den Annahmen muss weiter nachgegangen werden.

Zum Nachdenken regt an:

Im März 1934, als sich das NS-System schon weiter gefestigt hatte, wendet sich der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda an die Landesregierungen. „Wie mir die Reichsschrifttumskammer berichtet, sind letzter Zeit von Polizeibehörden in besonders großem Umfange Buchverbote ausgesprochen worden.“

Buchverbote würden in „ihrer Wirkung über die Bedeutung polizeilicher Angelegenheiten weit hinaus (gehen). Diese Wirkung liegt vielmehr zu einem wesentlichen Teil auf dem kulturellen und propagandistischen Gebiet.“ Es sei nötig, diese „Rücksichten geltend zu machen, Schädigungen des deutschen Schrifttums und seines Ansehens im In- und Ausland vorzubeugen. (…) Buchverbote, wenn sie unaufschiebbar sind, nur noch in vorläufiger Form auszusprechen. Und vor einer endgültigen Entscheidung unter Übersendung eines Stückes des beanstandeten Werkes die Stellung der Reichsschrifttumskammer, Berlin 78, Mohrenstraße 9, herbeizuführen.“[37] Schon bis Ende Juli 1933, so berichtet das Braunbuch über den Naziterror, erschienen in Basel über die Nachrichten aus dem faschistischen Deutschland, wurden über 250 ausländische Zeitungen verboten und die literarische Produktion habe einen Rückgang.

Die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ vom 22. April berichtet, "dass die Verlagsproduktion im ersten Vierteljahr 1933 um 30 % gegenüber dem ersten Quartal 1931 zurückgegangen ist. Der Export zeigt einen ständigen weiteren Rückgang. Der deutsche Buchhandel ist seiner besten Kunden beraubt, ganzer Wissens- und Literaturgebiete entblößt.“[38]

Doch es gibt auch andere Entwicklungen.

Der Leipziger Buchwissenschaftler Siegfried Lokatis untersucht die verdrängte NS-Geschichte von Verlagen. Es sei nicht zu vergessen, dass es nicht einfach eine besonders bücherfeindliche Zeit war.“[39]

Als größte Buchgemeinschaft wird die Wehrmacht angesehen mit 8 bis 9 Millionen Mitgliedern („Tornister-Literatur“)

Von großen Mengen in Verlagen beschlagnahmter Bücher, die nicht vernichtet, sondern ins Ausland verschleudert wurden, schreibt Angela Graf. [40]

Am 22. Dezember 2019 sitze ich fast allein im Lesesaal des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig. Vor mir liegt das Original des Gefangenentagebuchs des Polizeigefängnisses Leipzig für die Zeit vom 1. Mai bis zum 1. August 1933 (Bd. 2). Ein sehr dickes und breites Buch. Jeder Gefangene wird mit Tag und Stunde der „Einlieferung“, persönlichen Daten, Gefangenennummer, dem „einliefernden Beamten“, und Zellennummer handschriftlich eingetragen,

In diesen drei Monaten werden als "Eingelieferte" eingeschrieben die Nummern 3681 bis 8280.

4399 Leipziger werden abgeholt vom Arbeitsplatz oder aus ihrer Wohnung, über 4000 aus politischen Gründen. Als Haftgrund sofort festgehalten: "Beleidigung der SA", "Verdacht der Flugblattverteilung", "vermutlich geheime politische Zusammenkünfte", "Beschimpfung der Staatsform", "Beleidigung Dr. Goebbels" oder einfach nur "Gewerkschaft".

Ich finde dabei auch alle jene wieder, die am 2. Mai per "Sammeltransport" und an den Folgetagen verhaftet wurden; Grund: "Gewerkschaft". Bei allen „Eingelieferten“ wurden die Wohnungen durchwühlt.

Wie viele Bücherschränke werden bei den Haussuchungen und Verhaftungen Buch für Buch durchwühlt und wie viele Bücher werden "eingezogen" worden sein?

Ich schrieb bereits von den "12 Hefte(n) Sozialistische Bildung und vom Buch "Briefe Rosa Luxemburg", die bei Haussuchung in Rauschenbachs Wohnung beschlagnahmt wurden. Im Staatsarchiv kann ich nun erfahren, dass sie noch ein akribischer Aktenvorgang wurden. Über 3 Jahre kann ich ihn im Polizeipräsidium verfolgen, bis zur handschriftlichen Bemerkung "vernichtet".

 

Noch heute liegen im Bücherschrank der Leipzigerin Irene Z., zwei Originale der Verfügungen der Geheimen Staatspolizei Leipzig und der zugehörige originale Briefumschlag.

Es ist der Bücherschrank ihres Großvaters in der Gießerstraße 68 in Leipzig, aus dem 1938 bei einer Durchsuchung der Wohnung ein Buch "eingezogen" wurde.

Der Text:

"Verfügung. Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des deutschen Volkes vom 4.2.1933

(§7) und der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat vom 28.2.1933 (§1)

verfüge ich hiermit die Einziehung des bei Ihnen am 2. Februar 1938 beschlagnahmten Buches:

 Das Zille Buch".

Es gehörte der Tochter, sie wohnte noch bei den Eltern. Sie war Mitglied der Naturfreunde im Volkshaus.

Die zweite Verfügung betraf 12 eingezogene Bücher ihres Bruders. Er überlebte die Nazizeit nicht.  

Wie viele Leipziger werden Bücher vor den Nazis versteckt haben, die als "staats- und volksfeindlich" galten?

Als ich das Studium begann, schenkte mir unser ältester Hausbewohner, Herr Kabisch 2 Bände sozialdemokratische Geschichte mit den Worten: "Sie waren in der Nazizeit in meinem Keller".

Ich erinnere mich, dass er meine Mutter mahnte, vorsichtiger zu sein, sie werde sonst "abgeholt". Sie hatte nach einem Bombenangriff, wir stiegen gerade aus dem Luftschutzkeller, auf den Krieg geflucht. Die beiden Bände stehen in meinem Bücherschrank: Handbuch der sozialdemokratischen Parteitage von 1863-1909 Bd.1 München 1910 und Bd. 2 von 1910-1913.

Die Leipzigerin Ilse Barsche, Teilnehmerin der Zeitzeugen-Gesprächsreihe zur Volkshausgeschichte berichtet: "Zum 1.Mai 1933 hatten wir keine Hakenkreuzfahne an unserem Fenster auf dem Dach. Eine SA-Truppe kam, stürmte auf den Boden, holte es nach und stand dazu auf einer Bücherkiste. Meine Eltern hielten den Atem an. (Frau Barsche in ihrer Erzählung ebenfalls) Der Inhalt: Verbotene Bücher.“ (Zeitzeugenreihe Volkshausgeschichte 1997)

 

Was sich in der Leipziger Südvorstadt zugetragen hat

Fridel Hönisch, bekannte Leipziger Kabarettistin, trägt 1997 einen Packen Papier in die Friedrich-Ebert-Stiftung.

Sie ist "Alterspräsidentin" der Zeitzeugenerzählreihe zur Volkshausgeschichte. (Auftritte im Volkshaus  am 28.9.1929 und am  17.2.1932). Ihr Vater, Freund des Volkshauses, wurde in den Revolutionstagen 1918 hier in den Arbeiter- und Soldatenrat gewählt. Ein Foto hätte es davon gegeben, so Fridel Hönisch: „Doch weiß mer denn, wies ma kommt“.

Familiengeschichte steckt in diesem Papierpacken, Lebensgeschichte ihres Vaters und seiner "Buchhandlung und Antiquariat Rudolph Hönisch" in der Leipziger Südvorstadt, Gustav-Freytag-Str. 40.

"Mit dem Lastkraftwagen wurden alle Bücher abgeholt, dem Vater die Ausübung seines Berufes verboten und er wurde zur Zwangsarbeit beim Schienenbau eingesetzt“, berichtet Fridel Hönisch. Die Familie erhielt dafür die akribisch geführten Listen der geraubten Bücher. Das geschah Anfang September 1935

 

Jedes Buch und jede Schrift, nummeriert von Nr.1 bis Nr.766 ist einzeln bewertet.

Dazu die Kriterien:

"x  Diese Schrift ist bereits verboten.

xx  Schrift wurde bisher nicht von Verbot erfaßt, ist aber unbedingt verbotsreif.

§  Andere Schriften des Verfassers sind bereits verboten.

!  Verlag besteht nicht mehr. Erloschen oder aus politischen Gründen liquidiert.

GK Diese Schrift in der Deutschen Bücherei im Geheimschrank (Geheimkatalog der D.B)."

 

Als Nr. 320 werden 42 Hefte der Zeitschrift "Kulturwille", die Jahrgänge 1929-1932 als "xx - unbedingt verbotsreif"

aufgeführt. Als "Monatsblätter für Kultur der Arbeiterschaft" gehören sie zur Volkshausgeschichte (herausgegeben vom Arbeiterbildungsinstitut, ABI)), anerkannt und verbreitet nicht nur in Leipzig. Ihre thematischen Hefte modern, lebenstauglich und streitbar, von Kindererziehung, Liebesleben, Wohnkultur, Themen aus Literatur und Kunst,

Am 14.5.1937 wird Rudolph Hönisch " jede weitere `kulturvermittelnde Tätigkeit vom Präsidenten der Reichskulturkammer untersagt". Er wird aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Im `Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel` wird das Berufsverbot öffentlich mitgeteilt. [41]

 

Die Regale in Leipzigs Buchläden bekamen immer neue Lücken. Immer, wenn Hitlerdeutschland ein weiteres Land überfallen hatte, verschwanden auch Bücher dieser Länder. Doch sie wurden unterm Ladentisch weiterverkauft. Hier trafen sie sich mit Büchern, die aus "gesäuberten" und versteigerten Beständen von Leipziger Bibliotheken stammten. Das ist mündlich überliefert, vom Leipziger Dieter W., dessen Mutter zu dieser Zeit im Leipziger Buchhandel arbeitete.

 

Am Beginn meiner Suche nach dem Schicksal der Zentralbibliothek half mir Lucie Gronau, Sängerin des Jugendchores von Otto Didam. Sie hatte das Buch § 218 von Carl Crede vor dem Zugriff der Nazis bewahrt. Es war das erste Lebenszeichen der zerstörten Zentralbibliothek, das ich 1989 in den Händen halten konnte.

 

Die letzte Chorprobe für die Sängerin war am 9. März 1933, am Tag des Überfalls von SA und SS auf das Volkshaus. Die Chorsänger versuchten Noten zu retten und flüchteten über den Volkshaushof zur Braustraße.

Der Chor wurde "aufgelöst", nach den „Verordnungen zum Schutze von Volk und Staat“ als "marxistische Vereinigung". Auch der Notenbestand wurde als "Vermögen" aktenkundig mit "Verfügung" beschlagnahmt, der "polizeilichen Zwangsverwaltung" unterworfen und der Treuhänder Rechtsanwalt Herbert Pöllmann, gemäß § 5 der Verordnung vom 3. Mai 1933 bestellt. Das Original mit Stempel und Unterschrift, liegt im Chorarchiv (als Nachlass heute in der Stadtbibliothek).

 

Das Erinnern an die Bücherverbrennungen um den 10. Mai 1933 in Deutschland bleibt Verpflichtung, dem Geschehen in Leipzig gilt es weiter nachzuspüren.

Bis heute habe ich keinen Nachweis gefunden, dass es eine öffentliche Verbrennung von Büchern der Zentralbibliothek des Leipziger Volkshauses gegeben hat, weder am 9. März, noch am 2. oder 3. oder 10. Mai im Volkshausgelände, noch auf dem entfernten Messplatz. Selbst der 1. April ist im Internet zu finden. Leipziger Tageszeitungen um den 9. März, den 2. Mai und den 10. Mai des Jahres 1933 habe ich durchforstet. Keine Spuren. Hätte man sich das entgehen lassen?

Aber der alltägliche Naziterror gegen humanistisches Schrifttum, gegen Literatur und Wissenschaft und ihre Autoren; in Verlagen, Bibliotheken, Buchhandel, in Universität und Hochschule, in den Tausenden Haussuchungen in Leipzig währte über mehr als ein Jahrzehnt und ist unbestreitbare Tatsache.

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2023 wird auch in Leipzig an 1933 und die Bücherverbrennungen in Deutschland vor 90 Jahren erinnert werden.

Mein Wunsch für das Gedenkjahr 2023: Einige wenige der 1933 geraubten Bücher der Zentralbibliothek des Volkshauses Leipzig kamen auf wundersame Weise nach 1989 nach Leipzig zurück. Sie werden in der Stadtbibliothek gehütet und sollten dort im Erinnerungsjahr öffentlich sichtbar sein.  

Dazu das Buch des Arztes Carl Crede`§ 218, vor dem Raubzug privat von einer jungen Leipzigerin gerettet und heute ebenfalls in der Stadtbibliothek.

Ich wünschte mir, dass zusammen mit diesen Büchern die Originaldokumente des Raubes der über 700 Bücher des Antiquariats von Rudolph Hönisch einzusehen sind. Fridel Hönisch gab die Dokumente noch selbst aus dem Nachlass ihres Vaters in die sicheren Hände der Stadtbibliothek. Vom durch die Nazis geraubten Antiquariatsbestand gibt es bis heute nur diese Spur. Wie die „Säuberung“ der Leipziger Studentischen Büchereien“ vor sich gegangen ist, wie die Bücher vernichtet und ausgemerzt wurden, dazu wünsche ich mir Sucharbeit. Meine Erkundungen zum Schicksal der Zentralbibliothek im Volkshaus 1933 sind mein Beitrag zum Beschluss des Stadtrates vom 11.November 2020

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Februar 2023 
Dr. Monika Kirst                                                                                                                                                   



[1] Leihbibliotheken, Arbeiterbibliotheken, Bücherhallen, Bibliothekarische Bemühungen um die Volksbildung zum Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1933, Autorenkollektiv, Leitung Renate Florstedt, Leipzig 1989
[2] Werner Bramke und Lorena Mattner: Literatur und Theater in der nazistischen Kulturpolitik in Leipzig 1933 bis 1939. In: Leipzig. Aus Vergangenheit und Gegenwart, Beiträge zur Stadtgeschichte 4 Leipzig 1986, S, 194
[3] Wolfram P. Kastner, Institut für Kunst und Forschung, München, Brandspur Leipzig, Ausstellung, Kunstaktion und Veranstaltung 3. Oktober 2000, Volkshaus Leipzig
Carl Blauhorn: Arger Weg des Erinnerns, Kunst und Kultur, Kulturpolitische Zeitschrift 2/2008, Verdi Berlin. Ralf Julke: Auch Leipzigs „verbrannte Orte“ bekommen jetzt ein Gesicht, Leipziger Internet Zeitung 18.2.2019.
[4] Auch auf der Internetseite der DGB Region Nordsachsen seit 2008, in der Ausstellung: Brandspuren und Baufunde, Altes Rathaus Leipzig, KWI Kulturwissenschaftliches Institut e. V. mit Unterstützung des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig 2000, auf dem Volkshaus-Geschichtsboden seit 2000, in zwei Ausstellungen im Volkshaus-Foyer. Fotoreport 2008: Sie schweißten die Tresore auf. 20013: Wir erinnern an den 2. Mai 1933.
[5] Gustav Hennig: Die Entwicklung des Arbeiterbibliothekenwesens in Leipzig in den letzten zehn Jahren. In: Leipziger Kalender 1911, Illustriertes Jahrbuch und Chronik, herausgegeben von Georg Merseburg, S.99)
[6] ebenda S.100
[7] Gespräch am 20.3.1988
[8]Rolf Meckler: Undeutsches "deutsches“ Schrifttum. LNN 30. 4. 1933.
 Theateraufführung von Credes Drama §218 in Leipzig am 4. und 15. November 1929, Komödienhaus, im Programm des ABI enthalten. In Berlin Aufführung an der Piscatorbühne
[9] Brandspuren und Baufunde, 95 Jahre Volkshaus Leipzig. KWI, Kulturwissenschaftliches Institut e.V. Leipzig, Verantwortlich Monika Kirst und Igor Münter, Ausstellung Stadtgschichtl. Museum, Leipzig 2000
[10] Erich Schilling: Vor 25 Jahren im Leipziger Volkshaus. Volkshaus-Geschichtsboden / Sammlung Freundeskreis Leipziger Volkshausgeschichte e.V.
[11] Monika Kirst: "Den Findling meinen Sie?" Leipziger Blätter Nr. 51 Herbst 2007, Kulturstiftung Leipzig. M.K/Monika Kirst. Heinrich-Heine-Denkmal. In: Leipziger Denkmale, Herausg. Leipziger Geschichtsverein e.V. Markus Cottin. Sax-Verlag Beucha,1998.
[12] Bestand des FDGB Leipzig.
[13] geschrieben 1985 (M.K). FDGB Bestand SächsStA Leipzig
[14] In der Fotosammlung des Stadtgeschichtlichen Museums Friedrich Meißner zugeschrieben
[15] Unterstreichungen sind authentisch, M.K.
[16] In: Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert, Die Gewerkschaft in der Endphase der Republik 1930-1933. Bearbeitet von Peter Jahn unter Mitarbeit von Detlef Brunner, Köln 1988, S. 873 ff. In den Akten der Reichskanzlei 1919-1945 befindet sich das Original: Bundesarchiv R 43 II/ 531.
[17] Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitler-Terror, Basel 1933, S 156/157.
[18] In: Arbeiterbewegung und Klassik. Ausstellung im Goethe- und Schillerarchiv der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar 1964-1966, Weimar 1964. Ausstellung und Katalog.
[19] Nils Humboldt. Das Leipziger Volkshaus und der ADGB im Frühjahr 1933, Eine exemplarische Untersuchung zur Zerschlagung des organisierten Arbeiterwesens in Leipzig, S.4,5, Hausarbeit, Universität Leipzig, Historisches Seminar, 2012)
[20] Johanna Kiesel führte das Gespräch am 13.2.1989, Diplomarbeit 1989, Fachrichtung Kulturwissenschaft, KMU Leipzig. Das Volkshaus Leipzig, Zentrum praktischer Kulturarbeit der Leipziger Arbeiterbewegung. Betreuung Dr. Monika Kirst.
 2011 erhielten Schüler der Klasse 9a der Mittelschule Wiederitzsch den 3. Bundespreis im Schülerwettbewerb zur Geschichte des 2. Mai 1933 mit ihrem Beitrag „ Der 2.Mai 1933 und das Ende des Volkshauses“. M. Kirst unterstützte das Projekt.  
[21] in: Schuhmann, Hans-Gerd. Nationalsozialismus und Gewerkschaftsbewegung.Hannover1958, S. 169-120.
[22] private Sammlung.
[23] Aufräumen im Volkshaus. Leipziger Tageblatt 5. Mai 1933, S. 5. 
[24] SächsStA Leipzig PP-V- 4775 SF 4291, Bl. 83.
[25] Privatsammlung Horst Gebauer, ebenfalls in: Publikation der Stadt und Bezirksbibliothek 1989, a.a., S.36/37
[26]SächsStA Leipzig, PP-V 3104.
[27] SächsStA Leipzig PP-V- 3104 SF 4243 BL. 52.
[28] SächsStA Leipzig PP-V 3104 SF 4243, BL 51.
[29] Diese hatte das Volkshaus am 9. März 1933 überfallen und verwüstet (M. K).
[30] SächsStA Leipzig PP-V-3104 SF 4243 Bl. 104.
[31] SächsStA Leipzig PP -V- 3104 SF 4243 BL.232.
[32] SächsStA Leipzig PP-V-4775 SF 4292 Bl. 6.
[33] SäschsStA Leipzig PP-V-3104 SF 4243 Bl:108
[34] SächsStA Leipzig PP-V-4775 Bl. 159
[35] Rolf Meckler: Siehe Anmerkung 8 und Nationales Schrifttum und deutsche Revolution. LNN 11.Mai 1933
[36] Bramke a. a. O: S. 194
[37] SächsStA Leipzig, PP-V-4776, SF 4211 BL.165.
[38] Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror, Basel, S. 175.
[39] LVZ, 10.5.2013.
[40] Angela Graf in: Verbrannt, geraubt, gerettet, Bücherverbrennungen in Deutschland, Ausstellung der Bibliothek der Friedrich-   Ebert-Stiftung anlässlich des 70. Jahrestages, Bonn 2003, S. 20.
[41] Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Nr. 72, 26. März 1938.

20230302 Monika Kirst zum Schicksal der Bibiothek.pdf (PDF, 909 kB)

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